Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht ins Ungewisse

Flucht ins Ungewisse

Titel: Flucht ins Ungewisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. R. Terrie
Vom Netzwerk:
wissen.
    Was geht dich meine Freizeit an?
    Ich setzte mich aufrechter und legte meine Ohrstöpsel auf den Tisch. Dann drehte ich mich zu ihm und starrte ihm fest in die grünen Augen. Wirklich schöne grüne Augen. Nicht diese grün-gelben Augen, die Menschen eigentlich hatten, wenn man von grünen Augen sprach. Nein, sie waren wirklich strahlend grün, wie … Lora! mahnte ich mich. Was denkst du da?
    „Lass mich raten … In Wahrheit gehörst du zur Schülerzeitung und kannst es kaum erwarten, den ersten Artikel über mich bekannt zu geben. Meine vergangenen Intrigen, wie oft ich schon Crack geraucht hab, warum ich hier allein hocke und was mit meinem Handrücken passiert ist. Aber merk dir eins …“ Ich nahm seinen Finger, der schon wieder in die Höhe schießen wollte, und verdrehte ihn leicht. Sein Ring war warm, als würde er ihn nie abnehmen. „Ich stehe nicht gern in der Öffentlichkeit.“
    Cass starrte mich einige Zeit lang mit einem vor Schmerz zusammengekniffenen Auge sprachlos an. Dann lächelte er. „Ob das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein könnte?“
    Ich verdrehte die Augen. Es war eindeutig, er nervte. Aber ich musste auch zugeben, dass mich dieses Gespräch etwas auflockerte. Keine Ahnung warum, aber es war so. Außerdem lenkte er meine Gedanken von dem Jungen ab, der sich immer wieder in meinen Kopf schlich.
    Nach der Pause schlenderte Cass neben mir her und klärte mich über die Gruppen auf, die sich hier versammelten. Der Literaturclub, der Schachclub und der freiwillige Algebrakurs waren wohl die unbeliebtesten Gruppen. Dann waren da noch die Sportler, die Streber und Genies, die Gefährlichen – Kiffer, Punks, etc. – und Leute wie ich, Außenseiter. Er faselte wirklich viel, sehr viel, aber er kannte sich aus und schien sich hier mit fast jedem zu verstehen. Und es sah auch so aus, als hätte er mit jedem Einzelnen, dem wir auf dem Weg begegneten, einen besonderen Gruß einstudiert. Einfaches Händeschütteln gab es bei ihm anscheinend nicht.
    „Und wo gehörst du dazu?“, erkundigte ich mich. Wir hatten gemeinsam Mathe und er setzte sich auf den Platz neben mich.
    Auf die Frage hin verzog er überlegend das Gesicht. „Keine Ahnung. Hab so was wie ’ne spezielle Stellung hier. Die Gefährlichen lassen mich in Ruhe und die, die denken, sie seien cool, machen ’nen Bogen um mich. Und wenn ich ’n Streber wär, dann hätte ich andre Noten.“
    Ich musste lächeln. „Was machst du so in deiner Freizeit?“ Warum fragte ich das? Eigentlich wollte ich hier nur still und heimlich zur Schule und dann verschwinden.
    „Mein Dad wirkt bei manchen Games mit. Is’ für die Sounds verantwortlich. Und ich helfe ihm gelegentlich dabei.“ Bei ihm klang das völlig selbstverständlich, dass man so was konnte.
    Er nahm seine Kopfhörer ab und setzte sie mir ohne Vorwarnung auf. Mit einem Mal war die Welt um mich stumm, als hätte ich Watte in den Ohren. Auf seinem iPod suchte er irgendwas, bis mir ein gelungener Remix in den Ohren dröhnte. Ich lauschte einige Zeit lang dem bassbetonten Rhythmus.
    „Klingt gut“, sagte ich und gab ihm die Kopfhörer zurück.
    „Ja.“ Ein Lachen schwang in seiner Stimme mit. „Wenn ich den Abschluss in der Tasche hab, hau ich von hier ab und starte in den Großstädten durch. Mit was beschäftigst du dich so?“
    Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Gute Frage. Womit beschäftigte ich mich? Mit dem Tod meiner Mutter, dem Abknallen lebloser Materie, meinem überarbeiteten Vater und der Tussi, die bei uns wohnte. Ich führte wirklich ein glorreiches Leben …
    Ich schaute mich um, um nach einer besseren Antwort zu suchen. Ein Junge – schätzungsweise Quarterback –, der inmitten seiner Kumpels gerade laut losprustete und von den Cheers umschwärmt wurde, strahlte, als hätte er eine Glühbirne verschluckt. Ein Mädchen lehnte an der Wand und ritzte mit einem Messer etwas in den Türrahmen. Ihre zerzausten, fettigen Haare klebten wie geteerte Federn in ihrem Gesicht und die riesige Brille rutschte ihr ständig von der Nase. Auch sie wirkte atomverseucht. Aber … Warum konnte ich das sehen? Den anderen schien das nicht einmal aufzufallen. Seltsamerweise war mein eigenes Schimmern wieder verschwunden, als ich vorhin am Klo war und mich zögernd im Spiegel betrachtet hatte. Hatte ich mir das nur eingebildet? Aber dann würden die anderen wohl kaum so leuchten.
    „Schimmernde Menschen“, flüsterte ich gedankenverloren. Gleich

Weitere Kostenlose Bücher