Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
das Volk der Elben zu erlangen, wüchse seine Macht auf das Zehnfache an. Er würde noch höher in den Rängen von Vorik Seth aufsteigen, und wenn Vorik letztlich seinem Schicksal entgegenging, würde er Salin vielleicht mitnehmen.
Während Salin Urdrokk vom Turm fortritt, dachte er darüber nach und gelangte zu dem Schluss, dass dies unwahrscheinlich war. Er war verflucht. Sobald der Seth keine Verwendung mehr für ihn hatte, würde er ihn wie den Rest fallen lassen und seine unsterbliche Seele zerstören.
Aber ach, dachte er. In der Zwischenzeit werde ich eine Macht besitzen, von der Sterbliche nur zu träumen wagen können. In der Zwischenzeit werde ich ein Gott sein.
B ARDENTAG
Die Hitze der Sommersonne brannte auf Alek Maurer herab, als er die Schaufel in den Boden rammte. Das Loch wurde allmählich größer, dennoch hatte er noch eine Menge Arbeit vor sich, ehe er auf Wasser stoßen würde. Alek hielt kurz inne, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen, dann grub er mit einem tiefen Seufzen weiter.
Eine junge Frau blieb auf der Straße stehen, um Alek zu beobachten. Zunächst bemerkte er sie nicht und widmete sich ungebrochen seiner Aufgabe. Der Beobachterin fiel vermutlich auf, dass er nicht recht geschaffen für derlei Unterfangen schien. Abgesehen von einer Speckrolle um die Leibesmitte, die bei der Arbeit waberte, besaß er eine eher schmächtige Gestalt. Seine Arme waren dünn, die Hände klein. Dafür konnte er sich eines hellen, gut aussehenden Gesichtes und sandblonder Haare rühmen. Er war noch ein sehr junger Mann, wohl zwischen zwanzig und einundzwanzig Jahre alt. Jedes Mal, wenn er sich eine Schaufel voll Erde über die Schulter hievte, grunzte er vor Anstrengung.
»Ich würde zu gern wissen«, sagte das Mädchen kichernd, »wer den klugen Einfall hatte, ausgerechnet den Bäckerlehrling damit zu betrauen, einen neuen Brunnen zu buddeln. Warum nicht jemanden mit Muskeln wie den Schmied oder vielleicht den Friedenswächter der Schänke, den guten Kraig?«
Alek schaute zu der jungen Frau auf und runzelte die Stirn. »Lach du nur, Sarah. Alle Männer kommen mit graben an die Reihe.«
»Und anscheinend auch alle Knaben?«
Alek versuchte, wütend zu werden, doch ihr Gelächter wirkte ansteckend. Er ließ die Schaufel fallen, stimmte mit ein und hielt sich vor Kichern den wabernden Bauch.
»Sarah, du bist eine rechte Plage. Solltest du nicht deiner Mutter in ihrem Laden helfen, statt Männer bei ehrlicher Arbeit zu piesacken?«
Während die junge Frau abermals lachte, musterte er sie. Sarah war klein und zierlich. Sie besaß blonde Haare und fein geschnittene Züge. Unlängst hatte sie ihren siebzehnten Geburtstag gefeiert, aber wenn Alek sie betrachtete, sah er immer noch ein Kind. Er liebte sie wie eine Schwester – und wie bei Geschwistern üblich raubte sie ihm oft den letzten Nerv.
»Der Laden ist heute geschlossen, Alek. Wir haben Bardentag, oder hast du das vergessen?«
Bei der Erwähnung des Feiertags weitete sich Aleks Lächeln. Er verschränkte die Arme vor der Brust, schüttelte den Kopf und antwortete: »Bei Groks Bart, Mädchen, selbstverständlich habe ich das
nicht
vergessen! Was glaubst du denn, mit wem du redest? Immerhin gibt es heute Nacht im
Silberschild
eine große Feier mit Gesang, Tanz und Umtrunken; darauf freue ich mich schon seit Wochen! Oh, ich hoffe, der alte Jordi Luppis wird die Laute spielen und ein, zwei Liedchen zum Besten geben.«
Der Bardentag war Aleks Lieblingsfeiertag. Er stand im Mittsommer an, in dem Feiertage rar – und dazu noch mit langen Abständen dazwischen – gesät waren. Abgesehen von Yule galt er als eine der festlichsten Gelegenheiten überhaupt. Der Tag war dem Andenken des großen Barden Otis Brachnitter gewidmet, der einige der bedeutendsten Balladen und Geschichten ersonnen hatte, die in Tyridan je gesungen oder erzählt wurden. An seinem Gedenktag versammelten sich sämtliche Sänger und Geschichtenerzähler der Umgebung und unterhielten die Dorfbewohner bis spät in die Nacht. Aleks Lieblingsbarde hieß Jordi Luppis, der stets die berühmte Geschichte
Die Hügelschlacht
erzählte, die Alek von frühester Kindheit an geliebt hatte.
»Jordi wird auftreten«, verriet Sarah. »Er ist bereits in der Schänke und bereitet sich vor. Bei Sonnenuntergang wird es dort keinen freien Sitzplatz mehr geben, und die Leute werden sich vor der Tür drängen. Mutter hat den Laden früh geschlossen, um selbst ein Lied vorzubereiten.«
»Deine
Weitere Kostenlose Bücher