Flüstern in der Nacht
all den Jahren scheußlich stinken. Ich hoffe nur, der Schimmel hat Katherines Sammlungen nicht zu sehr angegriffen. Ich habe es Bruno tausendmal erklärt, aber ihm schien das überhaupt nichts auszumachen –« Joshua hielt inne, blinzelte. »Hören Sie mir überhaupt zu? Natürlich war es ihm gleichgültig, daß alles verfaulte. Schließlich handelte es sich um Katherines Sammlungen, und die waren ihm selbstverständlich gleichgültig.« Sie fuhren in Joshuas Wagen zum Weingut. An diesem düsteren Tag wirkte das Licht nur schmutziggrau. Joshua stellte sich auf den Angestelltenparkplatz.
Gilbert Ulman arbeitete noch nicht, jener Mechaniker, der die Seilbahn in Schuß hielt und außerdem die Fahrzeuge und Geräte des Weingutes versorgte.
Der Schlüssel für die Seilbahn hing an einem Haken in der Garage, und der Nachtpförtner des Gutes, ein behäbiger Mann namens Ianucci war gerne bereit, ihn Joshua zu geben. Mit dem Schlüssel in der Hand führte Joshua Hilary und Tony in das Obergeschoß des riesigen Hauptgebäudes, vorbei an Verwaltungsbüros, durch ein Labor für Weinkulturen und schließlich auf einen breiten Laufsteg. Die Hälfte des Gebäudes erstreckte sich vom Erdgeschoß bis zur Decke; man konnte die riesigen Gärtanks sehen. Eiskalte Luft strömte von den Tanks ab, und es roch nach Hefe. Am Ende des Laufsteges in der Südwestecke des Gebäudes traten sie durch eine schwere Holztür mit schwarzen Eisenbeschlägen in einen kleinen, an der hinteren Seite offenen Raum. Ein Vordach reichte vier Meter weit hinaus, damit es nicht hereinregnen konnte. Die viersitzige Gondel – feuerrot lackiert, mit viel Glas – hing unter dem Schrägdach am äußersten Rand des Raumes.
Im Pathologielabor hing ein unbestimmter, unangenehmer Geruch nach Chemikalien in der Luft. Und ein ähnlicher Geruch ging auch von dem Leichenbeschauer, Dr. Amos Garnet, aus, der unüberhörbar auf einem Pfefferminzbonbon herumkaute. Fünf Menschen befanden sich im Raum: Laurenski, Larsson, Garnet, Tannerton und Olmstead. Keiner, vielleicht mit Ausnahme des stets gutgelaunten Tannerton, schien besonders davon entzückt, hier zu stehen.
»Machen Sie auf«, drängte Laurenski. »Ich bin mit Joshua Rhinehart verabredet.«
Tannerton und Olmstead öffneten den Sargdeckel. Ein paar Erdklumpen fielen herunter. Die Leiche war verschwunden.
Im Sarg befanden sich lediglich die drei Zementsäcke, die man am vergangenen Wochenende aus Avril Tannertons Keller gestohlen hatte.
Hilary und Tony saßen in der Gondel auf der einen Seite, Joshua auf der anderen. Das Knie des Anwalts berührte Tonys Kniescheibe.
Hilary hielt Tonys Hand, als die rote Gondel sich ganz langsam am Drahtseil nach oben bewegte. Sie empfand keine Höhenangst, aber das ganze Gebilde schien ihr so zerbrechlich, daß sie unwillkürlich die Zähne zusammenbiß.
Joshua sah ihr angespanntes Gesicht und lächelte. »Machen Sie sich keine Sorgen. Die Gondel wirkt klein, ist aber ganz kräftig gebaut. Und Gilbert hält sie gut in Schuß.« Die Gondel schwankte leicht im Morgenwind. Der Ausblick auf das Tal wurde immer großartiger. Hilary versuchte sich darauf und nicht auf das Ächzen und Klappern der Maschinerie zu konzentrieren.
Schließlich erreichte die Gondel das obere Ende des Kabels. Sie rastete ein, und Joshua öffnete die Tür.
Gerade beim Verlassen der oberen Station des Seilbahnsystems riß ein grellweißer Blitz den Himmel auf, gefolgt von einem gewaltigen Donnerknall. Es fing zu regnen an. Ein dünner, kalter, peitschender Regen.
Joshua, Hilary und Tony rannten, um Schutz zu finden. Sie polterten die Eingangstreppe hinauf und quer über die Veranda zur Tür.
»Und Sie sagen, hier oben ist nicht eingeheizt?« fragte Hilary. »Die Heizung ist seit fünf Jahren abgestellt«, erklärte Joshua. »Deshalb habe ich Ihnen beiden auch empfohlen, Pullover unter den Mänteln zu tragen. Eigentlich ist es heute nicht besonders kalt, aber nach einer Weile in dieser feuchten Luft geht einem die Kälte bis auf die Knochen durch.«
Joshua sperrte die Tür auf; sie gingen hinein und knipsten gleichzeitig ihre drei mitgebrachten Taschenlampen an. »Hier drinnen stinkt's«, bemerkte Hilary. »Schimmel«, erklärte Joshua. »Das hatte ich befürchtet.« Sie traten aus dem Vorraum in die Halle und dann in den großen Wohnraum. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen fielen auf ein Durcheinander von Möbeln, wie im Lager eines Antiquitätenhauses.
»Mein Gott!« äußerte Tony. »Das
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