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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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feststellen musste, dass sein Girokonto leer gefegt worden war, doch das Ganze war völlig einwandfrei, und nun trudelte das Magazin regelmäßig ein und wirkte als Gegenmittel gegen all den Mist, mit dem er sich bei der Arbeit herumschlagen musste.
    Über das Magazin hatte er sich andere Sachen mit der Post kommen lassen. Hirschlederhalfter, Nachtsichtfernglas, Wadenhalfter für einen Dolch; Sprühdosen mit Mace. Pistolennachbildungen: eine Uzi, eine Sig Sauer, eine Heckler & Koch.
    Dazu noch eine Südstaatenfahne – und verdammt wollte er sein, wenn er nicht in den letzten sechs Monaten sechs Südstaatenfahnen gesehen hatte, normalerweise in irgendeiner verratteten Junkiewohnung. Heute Abend zum Beispiel war er mit Pam zu dem heruntergekommenen Schindelhaus gefahren, in dem Dwayne Venn mit den Tully-Schwestern wohnte, und dort im Wohnzimmer hing an einer Wand eine Südstaatenfahne, an den anderen Wänden hingen Fotos von Sitting Bull und Cochise, hier und da lagen Indianerperlenketten, Decken und anderer Ethnoplunder herum.
    Die Welt war voller Versager, deren Leben ein solcher Mist war, dass sie sich in eine Zeit und ein Leben hineinträumten, wo es Mut gab, absolute Gewissheiten, etwas Reines und Nobles.
    Und ich? Ich hol mir das von einer Waffe in der Hand, dachte Tankard. Wie heute Abend.
    Es gab da eine heiße, dunkle Stelle in seinem Kopf – und davon kribbelte es ihn im Schritt –, wo er sich vorstellte, Pam Murphy niederzuschießen. Er stellte sich vor, dass es spritzte, wie bei einer Ejakulation. Nicht notwendigerweise zerstörerisch – auch wenn das dazugehörte. Eher eine Art von Gefühlsstau. Tankard war nicht länger ein fetter, verschwitzter, unappetitlicher müder Cop mit krummem Rücken, sondern so groß, taff, drahtig und undurchschaubar wie der Indianerhäuptling, der General Custer am Little Big Horn ausradiert hatte.
    Dabei habe ich im Dienst noch nie eine Kugel abgefeuert, dachte er, die meisten Cops haben das nicht, und die meisten werden es auch nie tun.
    Verdammt, sein Rücken tat ihm weh. Er legte sich auf den Fußboden, stellte sich seine Wirbelsäule als eine Reihe von Knoten in einem Seil vor und versuchte, einen nach dem anderen wieder zu lösen.
    Er schlief ein und wachte vor Kälte um drei Uhr früh auf.

4
    Es war elf Uhr nachts, Challis hockte vor der Glotze und dachte daran, ins Bett zu gehen, als Tessa Kane, noch in voller Montur, an seine Tür klopfte. Wanderstiefel, Jeans, gefütterte Jacke. Sie sah nicht wütend aus, aber sie lächelte auch nicht, und ihr Gesicht wirkte unter der lebhaften Intelligenz, die sich dort stets aufhielt, ein wenig traurig, so als hätten sich die Enttäuschungen, die sich seit gestern früh aufgestaut hatten, bis an die Oberfläche vorgearbeitet.
    Er machte ihr einen Scotch, ging wie auf Eiern, versuchte sie zu verstehen. Aber Tessa verlor kein Wort darüber, dass er sie enttäuscht hatte, als er zu seiner durchgeknallten Frau eilte, statt mit ihr auf die Wanderung zu gehen.
    Der Wind war eisig geworden, als Challis von der Bushrangers Bay zurückkehrte, deshalb hatte er Feuer gemacht, und nun war das Haus warm und bot Schutz vor der windigen Nacht. Er wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte. Ab und zu nippte sie an ihrem Scotch, blieb ganz still und stumm, doch schließlich vertrieb sie mit einem Grinsen die trübe Stimmung und wühlte in ihrem Rucksack herum. »Ich bin auf dem Weg hierher noch schnell im Büro vorbei«, sagte sie. »Hab noch einen Haufen Briefe und Mitteilungen durchzuforsten.«
    Das war schon besser. Bei manchen ihrer Besuche las sie ihm alles Mögliche vor. Schon bald war ihr Schoß voller Umschläge, E-Mail-Ausdrucke und Textauszüge. Sie blätterte geistesabwesend durchs Papier, und er schaute ihr zu.
    »Irgendwelche Post vom Einmischer?«, fragte er leichthin.
    Tessa hatte ihm von dem Mann erzählt, der sie mit anonymen Briefen und Anrufen bombardierte. »Der Einmischer« war ein passender Name: Er pochte geradezu krankhaft obsessiv auf gute Manieren, Recht und Ordnung und den gesunden Menschenverstand. Er meldete gern schlechte Autofahrer, Müllsünder, faule Kommunalarbeiter, lahmarschige Bürokraten, Wandalen, Grundstückseigentümer, die im Frühling vergaßen, den Rasen zu mähen. Unglücklicherweise musste man ihm in den meisten Fällen einfach Recht geben.
    Letzten Sommer zum Beispiel wollte er wissen, welche Leuchte – »die Anspielung ist beabsichtigt« – das kontrollierte Abfackeln des Naturreservates an der

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