Folge dem weißen Kaninchen
die in ihrem eigenen Fach Erfolg hatten, gleichzeitig aber verkennen, dass andere Wissenschaften auf einem ebenso hohen Niveau arbeiten. Sie glauben in Experimenten Antworten auf Fragen zu finden, die sie schon von vornherein falsch gestellt haben. Statt dem weißen Kaninchen zu folgen, schießen einige Micky-Maus-Philosophen mit Kanonen auf Spatzen in einem Wald, den sie vor lauter Bäumen nicht sehen.
Der zweite Typ sind die
Rotweinphilosophen
, die bei einem guten Glas Bordeaux einfach so drauflos reden oder schreiben. Viele sind sehr gebildet und gute Stilisten, die ungewöhnliche Metaphern am Fließband produzieren. Aber sie stellen ihr Sprachtalent nicht in den Dienst der Sache. Sie interessieren sich ebenfalls nicht für den Forschungsstand, durchdenken ihre Thesen nicht systematisch, schreiben assoziativ und stellen Fragen, wenn sie nicht weiterwissen. Unter ihnen sind oft Publizisten, die die «Schulphilosophie» angreifen, manchmal vielleicht, weil ihnen die Anerkennung der Fachwelt verwehrt blieb. Sie wirken für Laien gelehrt, weil sie immer ein passendes Zitat zur Hand haben und ihre Einzelbeobachtungen geschickt als große Thesen verkaufen. Die Rotweinphilosophen sind an ihrem Stil und ihrer Inszenierung erkennbar, aber nicht an den Inhalten. Viele ihrer Texte lesen sich schön, aber am Ende weiß man nicht mehr als zuvor, sondern eher weniger.
Den dritten Typ stellen die
Heißluftballon-Philosophen
dar. Vor allem französische Kulturwissenschaftler haben Sinnestäuschungen im Alltag, Mehrdeutigkeiten in Texten oder Machtspiele in der Wissenschaft entdeckt und kühn daraus geschlossen, dass die Welt nur eine Konstruktion sei, unsere Worte unendlich viele Bedeutungen haben und dass es keine methodische Wahrheitssuche geben könne. Der amerikanische Philosoph Jerry Fodor hat einmal gesagt, das sei so, als würde man sich bei Kopfschmerzen den Kopf abhacken, statt ein Aspirin zu nehmen. Wie die Micky-Maus-Philosophen lieben sie provokante und radikale Thesen, haben daraus allerdings methodische Konsequenzen gezogen: Sie wollen nicht mehr wissenschaftlich arbeiten, klar und widerspruchsfrei schreiben oder für ihre Behauptungen argumentieren, sondern nur Literatur machen. Dafür blasen sie ihre Thesen auf. Im Höhenflug, wenn die Luft ganz dünn wird, verwechseln sie dann ihre Halluzinationen mit echten Einsichten. Den Mangel an Sauerstoff machen auch sie wie die Rotweinphilosophen mit metaphorischem Süßstoff wett.
Weil es nicht um die Wahrheit geht, zählt in diesen Kreisen die Währung der Aufmerksamkeit mehr als anderswo: Sie müssen lauter schreien, um sich Gehör zu verschaffen, weil alle Themen nur Moden sind, die wie die Ballons schnell vom Winde verweht werden. Die Heißluftballon-Philosophen sammeln kein echtes Lehrwissen an, dafür grenzen sie sich durch ihre Wortwahl ab. Sie folgen nicht dem weißen Kaninchen, sondern ziehen es vor, im Land der Blinden als Kurzsichtige die Fremdenführer zu spielen.
Dagegen verorten sich Analytische Philosophen in der Mitte eines Dreiecks mit den Eckpunkten: Text, Natur und Kultur. Sie kennen die einschlägigen Schriften genau, um nicht alte Debatten zu wiederholen. Sie verschaffen sich außerdem einen Überblick über die empirische Forschung, denn sie können nicht wie früher in ihrem sprichwörtlichen Lehnsessel versinken, bis nur noch der Kopf herausschaut, sondern müssen am runden Tisch auf die unbequemen Fragen der anderen Wissenschaften antworten. Wie die Kulturwissenschaftler schließlich sensibilisieren sich Analytische Philosophen für Moden und Machtspiele, für die soziale und kulturelle Dimension ihres Faches, ohne dafür jedoch die Genauigkeit, den Realismus und die wissenschaftliche Methode zu opfern.
Vorurteile über die Philosophie
Keine Wissenschaft ist so vielen Vorurteilen ausgesetzt wie die Philosophie. Manche glauben, Philosophie sei hauptsächlich Textkunde, also die Auslegung alter Schriften. Ihnen reicht es, wenn sie einen Gedanken geistesgeschichtlich einordnen können. Doch Philosophie beginnt erst dort, wo man sich fragt, ob eine Behauptung gut begründet ist.
Andere finden blumige Kalendersprüche besonders philosophisch, vor allem, wenn sie Begriffe wie «Freiheit» oder «Sinn» enthalten. Auch hier beginnt die Philosophie erst, wenn der Aphoristiker erklärt, was er mit seinem Ausspruch eigentlich meint.
Manche halten sich selbst für Philosophen, weil sie alles anzweifeln. Ganz gleich, was man sagt, sofort
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