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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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philosophischer Gedanken sein.
     
    So begibt sich schon jeder Philosophiestudent auf Augenhöhe mit den großen Denkern der Geschichte. Das geht nur, weil wir Spätgeborenen Zwerge auf den Schultern dieser Riesen sind, wie der mittelalterliche Philosoph Bernhard von Chartres sagt. Der Weg hinauf ist manchmal mühsam, aber von oben hat man einen fast unbeschreiblichen Ausblick. Oft kann man weiter sehen als die Riesen selbst. Man darf nur nicht vergessen, dass man ohne sie niemals so weit oben sitzen würde. Und man darf den langen Schatten des Riesen nicht mit der eigenen Größe verwechseln.

Philosophie als Wissenschaft
    Der Titel «Philosoph» ist keine geschützte Berufsbezeichnung, so wenig wie «Detektiv», «Designer» oder «Journalist». Jeder kann ihn als Beinamen auf seine Visitenkarte schreiben. Diese Titelinflation irritiert einige seriöse Philosophen in der Wissenschaft genauso wie ausgebildete Journalisten oder diplomierte Abgänger von Kunstschulen. Aber man kann da großzügig sein: Wir sind alle Philosophen, so, wie wir alle Psychologen sind oder Fußballtrainer vor dem Fernsehschirm. Wie unter Fußballtrainern gibt es auch unter Philosophen gute und schlechte. Die guten arbeiten nach hohen wissenschaftlichen Standards. Sie schreiben klar und verständlich, argumentieren genau und wollen zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen.
    Diesem Ideal verpflichtet sich unter anderem die
Analytische Philosophie
, die stark von der angloamerikanischen Forschung beeinflusst ist und der auch ich mich zuordne. Wie jedes Handwerk ist die Philosophie ein Kennen und Können: Man muss mit den Inhalten und den Methoden vertraut sein. Das Markenzeichen Analytischer Philosophen ist ihre Methode. Sie streben danach, sich so einfach wie möglich auszudrücken und Fachwörter nur dort zu verwenden, wo es nötig ist. Sie begründen ihre Argumente, wollen Probleme lösen, sind in der Logik geschult und bringen ihre Thesen präzise auf den Punkt. In der Analytischen Philosophie gibt es keinen falschen Respekt vor Autoritäten. Bei einem guten Argument ist es ganz gleich, von wem es stammt: von Aristoteles, Bertrand Russell oder einem Schüler aus der Oberstufe.
     
    Analytische Philosophen schreiben mit einem unsichtbaren Augenzwinkern: Sie nehmen die fachlichen Fragen sehr, sich selbst aber nicht so ernst. Sie kultivieren keinen individuellen Jargon, um sich sozial abzugrenzen, sondern begreifen sich als Mitglieder eines Forschungsprojektes, zu dem jeder etwas beisteuert. Sie fassen es als Stärke auf, angreifbar zu sein, statt sich durch Unverständlichkeit gegen Kritik zu immunisieren. Sie denken gründlich nach und fragen sich, wie die Ergebnisse aller Wissenschaften zusammenpassen. Analytische Philosophen sehen ihre Aufgabe darin, die Redeweisen und Gedankengänge des Alltags und der Wissenschaften zu präzisieren.
    In den Anfängen, vor etwa 100  Jahren, haben sich Analytische Philosophen vor allem auf die Sprachphilosophie und die Wissenschaftstheorie konzentriert. Heute diskutieren sie alle Themen, sei es aus der Ethik, Ästhetik, Kultur, Religion oder Politik.
    Die philosophische Landschaft ist dichter bevölkert als jemals zuvor. Dafür hat die Landkarte auch einen feineren Maßstab bekommen, da viele Positionen früher gar nicht besetzt waren. In diesem Buch versuche ich, vor allem originelle Denker zu Wort kommen zu lassen, sei es aus der Philosophie oder aus angrenzenden Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Anthropologie und den Neurowissenschaften.

Micky Maus, Rotwein und Heißluftballon
    Dem Ideal von Klarheit und Genauigkeit der wissenschaftlichen Philosophie folgen nicht alle. Im Gegenteil: Viele Philosophen haben sich weit davon entfernt. Auf drei Prototypen trifft man immer wieder.
    Da sind zum einen die
Micky-Maus-Philosophen
, wie der amerikanische Philosoph John Searle sie nennt. Sie haben eine Vorliebe für steile Thesen: Es gibt keine Wahrheit, wir haben keine Willensfreiheit, Gefühle sind nichts als Hirnzustände. Anders als seriöse Philosophen jedoch machen sich Micky-Maus-Philosophen nicht die Mühe, für ihre Behauptungen zu argumentieren. Sie kennen die Forschungsliteratur nicht und leiten ihre Schlüsse aus halbverstandenen Theorien ab. Statt gründlich nachzudenken, wollen sie lieber unser «Weltbild» revolutionieren. Meist können sie jedoch nicht einmal sagen, was sie damit überhaupt meinen.
    Manchmal sind sogar Neurowissenschaftler oder Physiker unter ihnen, besonders jene,

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