Fool: Roman (German Edition)
Wochenlang bettelte ich die Äbtissin an, sie sollte mir die heilige Pflicht übertragen, die Eremitin zu versorgen, doch erst, als Mutter Basil die Nacht allein mit der jungen Schwester Mandy verbringen musste, um in aller Abgeschiedenheit für die Vergebung dessen zu bitten, was die Äbtissin als »hammergeiles Wochenende« bezeichnete, erlaubte man mir, die Eremitin zu bewirten.
»Wenn ich es recht bedenke«, sagte die Mutter Oberin, »bleibst du am besten gleich dort, vor ihrer Zelle, bis zum Morgen, und versuchst mal, ob du etwas Frömmigkeit erlernen kannst. Und komm nicht vor dem Morgen wieder! Dem späten Morgen. Und bring Tee und Brötchen mit, wenn du kommst. Und Marmelade.«
Ich dachte, ich müsste platzen, so aufgeregt war ich, als ich zum ersten Mal den langen, dunklen Gang entlanglief – mit einem Teller voll Käse und Brot und einem Krug Ale in Händen. Halbwegs erwartete ich, Gottes Herrlichkeit durchs Fenster leuchten zu sehen, doch als ich ankam, war da gar kein Fenster, nur eine kreuzförmige Schießscharte wie in der Burgmauer. Anscheinend konnten die Steinmetze nur eine ganz bestimmte Art von Fenstern in dicke Mauern hauen. (Komisch eigentlich, dass sowohl Schießscharten als auch das Schwert mit seinem Heft – beides dient schließlich gewissermaßen dem Tode – ausgerechnet das Zeichen des Kreuzes beschreiben, eines Symbols der Gnade. Doch wenn ich es recht bedenke, stand es ja selbst im Dienste des Todes.) Die Öffnung war kaum groß genug, dass ich die Flasche hindurchreichen konnte. Der Teller passte gerade eben durch das Kreuz. Ich wartete. Aus der Zelle drang kein Licht. Eine Kerze im Vorraum war die einzige Beleuchtung.
Ich hatte schreckliche Angst. Ich lauschte, ob ich hören konnte, wie die Eremitin Novenen rezitierte. Ich hörte sie nicht einmal atmen. Ob sie schlief? Konnte es eine Sünde sein, jemanden beim Beten zu stören, der so heilig war? Ich stellte Teller und Krug auf den Boden und versuchte, ins Dunkel der Zelle zu spähen. Vielleicht leuchtete sie ja.
Da sah ich es. Das Kerzenlicht spiegelte sich in ihrem Auge. Sie stand da, keine zwei Schritte vor der Öffnung. Ich schreckte zurück, schlug an die Mauer hinter mir und stieß dabei das Bier um.
»Habe ich dich erschreckt?«, hörte ich ihre Stimme.
»Nein, nein, ich wollte nur, ich war... Verzeiht mir! Ich bin sprachlos ob Eurer Frömmigkeit.«
Da lachte sie. Es war ein trauriges Lachen, als hätte sie es lange schon zurückgehalten und nun kam es wie ein Schluchzen hervor, doch sie lachte tatsächlich, und ich war verwirrt.
»Ich bitte um Entschuldigung, Mutter...«
»Nein, nein, nein, entschuldige dich nicht! Wag es nicht, dich zu entschuldigen, Junge!«
»Mach ich. Tu ich nicht.«
»Wie heißt du?«
»Pocket, Mutter.«
»Pocket«, wiederholte sie und lachte noch ein wenig. »Du hast mein Bier verschüttet, Pocket.«
»Aye, Mutter. Soll ich Euch ein neues holen?«
»Wenn du verhindern willst, dass der Glanz meiner gottverfluchten Heiligkeit uns niederbrennt, dann solltest genau das tun, Freund Pocket. Und wenn du wiederkommst, möchte ich, dass du mir eine Geschichte erzählst, die mich zum Lachen bringt.«
»Ja, Mutter.«
Und das war der Tag, der meine Welt veränderte.
»Erinnere mich! Weshalb meucheln wir meinen Bruder nicht einfach?«, fragte Edmund. Von wimmerndem Geschreibsel zum Mordkomplott in einer Stunde. Edmund lernte schnell, wenn es um Bosheit ging.
Ich saß mit einer Feder in der Hand in meiner Kammer über dem großen Tor in der Außenmauer der Burg. Ich habe meinen eigenen Kamin, einen Tisch, zwei Stühle, ein Bett, ein Regal für meine Sachen, einen Haken für meine Narrenkappe und meine Kleider, und in der Mitte des Raumes einen großen Kessel, in dem man Öl erhitzen kann, um es dann durch Gitter im Boden siedend über etwaige Belagerer zu kippen. Abgesehen vom Klirren der massiven Ketten, wenn die Zugbrücke angehoben oder heruntergelassen wird, ist es eine kuschelige Kammer, in der sich Schlaf und andere horizontale Betätigungen betreiben lassen. Das Beste ist jedoch, dass ich dort für mich allein bin und einen fetten Riegel vor der Tür habe. Selbst unter Edelleuten ist Privatsphäre ein seltenes Gut, da dort die Konspiration gedeiht.
»Das mag Erfolg versprechend klingen, doch wird Edgar nicht entehrt, enterbt und sein Besitz gezielt an Euch übergeben, könnten Land und Titel an den erstbesten legitimen Vetter gehen, oder schlimmer noch: Euer Vater könnte Gefallen
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