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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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entledigt, jetzt schien ihm das ein wenig übertrieben, um es vorsichtig auszudrücken, vermutlich hatte die Phase des Abklingens eingesetzt, nur half ihm das nicht weiter. Die Welt ist so, wie sie ist, egal, wie er sie wahrnahm und in welcher Phase der Achterbahnfahrten seines Bewusstseins er sich gerade befand. Vielleicht kam er in manchen Augenblicken der Wirklichkeit näher als in anderen, berührte sie sogar nahezu wie ein Asteroid die Erde, von der er angezogen wird, um dann doch an ihr vorbeizurauschen in die Tiefe des Weltalls... Aber darauf kam es nicht an. Es genügte zu wissen, dass der Zustand der Welt am ehesten der Stimmungslage und den Erwartungen entsprach, die die eines bad turkey waren. Trotzdem war es wahrscheinlich eine eher gute Nachricht, dass er die Plastiktüte entsorgt hatte. Nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz sicher war sie das. Aber was folgte jetzt, und wie viel Zeit hatte er, zu was auch immer?
    In der Kirche war gerade kein Gottesdienst gewesen und von den Beichtstühlen nur einer besetzt. Sollte die Nachfrage nach und das Angebot an Priestern in dieser Kirche womöglich so groß sein, dass demnächst auch der zweite Beichtstuhl öffnete oder in Betrieb ging, wie immer man das nannte? Möglich. Vielleicht gingen die Leute in diesem Land am späten Vormittag zur Beichte wie andere in die Kneipe oder ins Bordell, oder taten erst das eine und dann das andere. Vielleicht auch wurde der eine Beichtvater von einem zweiten abgelöst, und der zweite legte Wert auf einen eigenen, unverhockten Starenkasten. Er hatte keine Ahnung, aber soviel war klar: Die Tüte konnte jeden Augenblick entdeckt werden.
    Der Mann blieb stehen und fuhr sich über die Stirn. Er war auf dem Weg zurück zu dem Pensjonat, in dem er übernachtet und wo er seine Reisetasche zurückgelassen hatte. Vor ihm war die breite Straße mit den Gleisen, wieder kam eine Tramwaj vorbei, ja, sie war blau, und? Plötzlich fiel ihm ein, dass es noch ein anderes Problem gab als bloß die Plastiktüte von McJunkFood und die Beichtväter der Heiligen Maria zum staubigen Turm . Dieses Land gehörte, ob es einer glauben mochte oder nicht, zur Europäischen Union, und eben deshalb war Tabea an der Grenze sehr wahrscheinlich nicht kontrolliert worden, man hatte sie ungestört und ungehindert einreisen lassen, wie ein kleines Mäuschen, das die Katze laufen lässt, gerade einen Tatzenhieb weit. Aber dann, irgendwo hinter Bautzen, irgendwo vor Dresden, hatte die Katze zugeschlagen und sich ein Wagen vor den Renault gesetzt und die Kelle gezeigt: Polizei! Bitte folgen... Am späten Abend würde das gewesen sein, und weiter?
    Dann hatte die Bullerei ein bisschen was zum Nase pudern gefunden, ein halbes Pfund Crystal Speed , das war für ein paar Monate gut und für Tabea schlecht, aber es war nicht das, wonach sie gesucht hatten und was sie finden sollten und weswegen sie am späten Abend auf der Autobahn Dienst schoben. Sie hatten finden sollen, was man für sie versteckt hatte, in einer Sporttasche im Kofferraum eines rostigen alten Renault, aber da war kein Osterei mehr gewesen.
    Und nochmals weiter? Dann hatte Tabea von nichts gewusst und alles auf ihn geschoben, die Schnüffler hatten schlechte Laune bekommen und den Kollegen geholt, der telefonieren konnte. Er sah es vor sich, als sei er dabei gewesen, und vor sich sah er auch die polnischen Polizisten, wie sie jetzt im Kabuff hinter der Rezeption des Pensjonats hockten und mit der Wirtin schäkerten, neben seinem Gepäck, und auf ihn warteten... Janis hatte Recht. Du bleibst nur frei, wenn du nichts mehr zu verlieren hast, soviel Durchblick hast du noch, und deine Reisetasche zu verlieren, diesen Müllsack voll dreckiger Unterwäsche und stinkiger Socken, das ist noch gar nichts, alles muss weg, weil alles versaut oder besser: kontaminiert ist von den Menschen und ihren Ausdünstungen und ihren Blicken, mit denen sie dich abtasten, während sie überlegen, wie sie dich hereinlegen können und vorführen und zum Narren halten.
     
     
     
    T amar Wegenast hatte mit der Gerichtsmedizin telefoniert und danach noch mit der Jugendgerichtshilfe, jetzt hatte sie Kopfweh. In den Telefonaten war es um einen inzwischen so gut wie abgeschlossenen Fall gegangen, den eines 17jährigen, der in den Anlagen unterhalb des Hauptbahnhofs einen betrunkenen Obdachlosen so lange geschlagen und getreten hatte, bis dieser sich nicht mehr rührte. Danach war der junge Mann nach Hause gegangen und hatte sich von

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