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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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Auge reicht. Wer putzt das alles? Keinesfalls Jans Mutter. Zumindest sahen ihre perfekt manikürten Hände nicht aus, als seien sie jemals mit Putzwasser in Kontakt gekommen. Zudem liegen überhaupt keine typischen Gebrauchsgegenstände herum, wie ich es von unserem Wohnzimmer kenne. Alles ist tadellos aufgeräumt.
    Jan steht noch immer in der Tür und wartet auf meine Reaktion. Angestrengt schaue ich auf der Suche nach den richtigen Worten im Raum umher. »Euer Haus könnte wirklich für eine Wohnzeitschrift abgelichtet werden. Ist dein Zimmer auch so exklusiv?«
    »Das kann ich selbst schwer beurteilen, weil ich es jeden Tag sehe. Lass uns nach oben gehen, damit du dir selbst ein Bild machen kannst.« Mit zwei großen Schritten ist er bei mir, zieht mich hoch, legt mir die rechte Hand zwischen die Schulterblätter und dirigiert mich mit minimalen Bewegungen die Treppen hinauf ins obere Stockwerk.
    In sein Zimmer? Am liebsten würde ich mich losreißen und flüchten. Es ist mir ganz und gar nicht geheuer, mit ihm alleine zu sein, ohne eine Menschenseele weit und breit. Die nächsten Häuser sind mindestens 500 Meter entfernt. Kein Wunder. Niemand wollte nah an der Bahnlinie wohnen, und es war nicht absehbar, dass diese stillgelegt werden würde.
    Mir ist klar, dass ich es möglicherweise mit meinem Misstrauen übertreibe, aber er ist so verschlossen, dass ich keine Ahnung habe, was in ihm vorgeht. Wie konnte ein gemütlicher Tag in der Einkaufspassage plötzlich zu einer solch prekären Situation führen? Alleine mit einem gänzlich Fremden in dessen Haus?
    Jan scheint meine Nervosität zu spüren, denn als wir die Galerie erreichen, verzieht er kurz die Lippen zu einem höhnischen Lächeln.
    Bin ich ihm in die Falle gegangen?
    Ich will nicht mehr bei ihm sein. Ich will hier raus.
    Verzweifelt bemühe ich mich um eine ruhige Atmung. Nur schnell seine Sporttasche holen, dann können wir uns auf den Weg ins Schwimmbad machen.
    Während wir auf seine Zimmertür zugehen, lässt er seine Hand langsam abwärts gleiten, sodass sie auf meinem unteren Rücken liegt. Merkwürdige glitzernde Teilchen tanzen vor meinen Augen, und ich bete insgeheim, dass er die Berührung nicht weiter nach unten fortsetzt, sonst werde ich umkippen. Durch einen leichten Druck seiner Handfläche auf meine Hüfte schiebt mich Jan in sein Zimmer und schließt, ohne den Körperkontakt abzubrechen, die Tür hinter uns. Mit einer schnellen Bewegung dreht er sich zu mir um, sodass wir direkt voreinander stehen. Seine hellen Augen scheinen zu glühen, während er mich mit einem durchdringenden Blick mustert und mit der linken Hand meinen Oberarm umschließt.
    Ich möchte zurückweichen, kann mich seinem stählernen Griff jedoch nicht entziehen. Der Ausdruck in seinem Gesicht macht mir Angst. Ich will Abstand.
    »Jan...«
    Statt mich loszulassen, hält er mich noch fester und geht einen Schritt auf mich zu, wodurch ich das Gleichgewicht verliere und rückwärts an die Wand stoße. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche werde ich von ihm gegen meinen Willen festgehalten. Wenn es nicht so furchteinflößend wäre, würde ich über meine eigene Naivität in Gelächter ausbrechen. Dieses Mal ist ausgeschlossen, dass ich es bin, die ihm ihren Willen aufzwingt. Dazu bin ich viel zu erschüttert.
    Habe ich ihm zu schnell mein Vertrauen geschenkt?
    Hätte mir sein Verhalten und auch Denise' Erfahrung keine Warnung sein müssen?
    Diese Angst ist lächerlich.
    Er hat sich den ganzen Tag über korrekt benommen.
    Er wird nichts tun, was ich nicht möchte.
    Er wird rechtzeitig aufhören.
    Jans Hand wandert über meine Hüfte weiter nach unten, bis sie auf der hinteren Tasche meines Rockes liegt. Er löst den Griff um meinen Arm und fährt an der Schulter beginnend mit den Fingerspitzen die Konturen meines Oberkörpers entlang und hinterlässt eine Flammenspur.
    Was tut er da? Im Vergleich zu dieser Aktion verblasst der Kuss am Dienstag zu einer farblosen Erinnerung.
    In mir prallen gegensätzliche Gefühle aufeinander. Einerseits habe ich diesen Moment immer und immer wieder herbeigesehnt. Andererseits läuft alles furchtbar falsch. In meiner Fantasie ging die Annäherung von uns beiden aus. Ich weiß genau, dass ich eine Intensivierung bereuen würde, denn ich bin noch nicht so weit.
    Erneut setze ich zu einem Protest an. Doch er erstickt ihn, indem er meinen Mund mit seinen Lippen verschließt. Sein Kuss ist so hart und drängend, dass es mir den Atem verschlägt.

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