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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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eigenen.«
    »Tut mir leid. Ich hatte heute eine spontane Verabredung mit einem tollen Jungen.« Ich schlucke. »Momentan bin ich einfach durcheinander.«
    »Und, wie ist es gelaufen?«
    »Ziemlich gut, glaube ich. Er hat gefragt, ob wir noch ins Schwimmbad gehen. Ist das für dich in Ordnung?«
    Meine Mutter hebt unschlüssig die Schultern. »Sicher. Ist es der gleiche junge Mann, mit dem du am Dienstag im Kino warst?«
    Ich nicke. »Genau der.«
    »Das freut mich. Hoffentlich bekomme ich ihn auch einmal zu Gesicht. «
    »Wenn du unauffällig einen Blick aus dem Fenster werfen möchtest: Er wartet draußen im Auto auf mich.«
    Die Augen meiner Mutter zucken zur Haustür. »Wie wäre es, wenn ich ihn –«
    »Mam! Vergiss es! Das wäre einfach nur peinlich!« Nervös zupfe ich am Bund meines T-Shirts. »Ich verspreche, dass du ihn kennenlernst, falls wir uns wirklich häufiger treffen. Aber jetzt nicht!«
    Meine Mutter lacht. »Er muss ein interessanter Typ sein, wenn er dich derartig aus dem Konzept bringt.«
    Seufzend gehe ich die Treppe hinauf. Interessant trifft es nicht im Ansatz. Spannend, anziehend, bemerkenswert. Und über alle Maßen heiß.
    Aber auch unberechenbar, aggressiv und furchteinflößend. So lange habe ich ihn aus der Ferne angeschmachtet, und nun kann ich kaum mit dem Facettenreichtum seiner Persönlichkeit umgehen.
    Aber egal, ob er mir finstere Blicke zuwirft, Blumen schenkt, mich festhält oder mir Kleider kauft, ein Eindruck trifft immer auf unsere Begegnungen zu; intensiv. Bei jedem Treffen überrascht er mich aufs Neue. Wenn er etwas nicht ist, dann langweilig. Heute Morgen hätte ich ihm am liebsten den Hals herumgedreht, während ich mich am Nachmittag stundenlang mit ihm unterhalten habe.
    Auch in Bezug auf meine Fähigkeit war der heutige Tag voll neuer Eindrücke. Durch Gedankenkraft Personen zum Blickkontakt oder zum Herkommen zu zwingen, gäbe schon genug Grund zur Besorgnis. Dass der Junge aber geradewegs in den Brunnen gesprungen ist, obwohl das deutlich gegen seinen Willen war, ist höchst beunruhigend. Unbarmherzig drängt sich der Gedanke an die Konsequenzen auf.
    Könnte ich jemanden animieren, von einer Brücke oder einem Hochhaus zu springen? Sich die Pulsadern aufzuschneiden? Wo endet meine Macht?
    Ich drücke meine Handballen gegen die geschlossenen Augen. Solche Gedanken darf ich nicht zulassen. Ich werde das niemals herausfinden, das schwöre ich!
    Solange ich die Kontrolle behalte, gerät keiner in Gefahr.
    Schlagartig fällt mir ein, dass Jan unten im Auto auf mich wartet, während ich persönliche Gewissensfragen erörtere, statt nach meinem Bikini zu suchen. Kopfschüttelnd beginne ich, den Schrank zu durchwühlen. Kurze Zeit später fördere ich mein blaugrün kariertes Lieblingsmodell zutage.

***
    Die Ausübung der Formergabe im Gehirn des Menschen wird von diesem nicht als äußerer Einfluss wahrgenommen.
    Wiederholt habe ich zwar erlebt, dass es nach Beendigung der mentalen Kontrolle zu kurzzeitiger Desorientierung oder Verwirrung des Beeinflussten kommt, sofern dieser in der Lage ist, seine zuvor getroffenen Entscheidungen kritisch zu hinterfragen.
    Dennoch lebt er weiterhin in dem trügerischen Bewusstsein, seine Entscheidungen seien frei und unverfälscht.

14
    Eskaliert
    Um Jan nicht noch länger warten zu lassen, verzichte ich darauf, mich umzuziehen, und stürme in den Kleidern, die er mir gekauft hat, die Treppe hinunter. Schnell strecke ich den Kopf in die Küche, verabschiede mich von meiner Mutter und renne nach draußen. In dem Moment, in welchem die Haustür hinter mir ins Schloss fällt, wandelt sich meine Hektik zu mühsamer Gelassenheit. Jan soll nicht auf die Idee kommen, dass ich mich für ihn abhetze.
    Als er mich erblickt, steckt er das Handy, in welches er gerade gesprochen hat, in seine Tasche. Er kommt mir entgegen und verstaut wortlos meine Badesachen im Kofferraum.
    Sofort steigen wieder Zweifel hoch. Jetzt ist es wohl zu spät. Verunsichert lasse ich mich auf dem Beifahrersitz nieder, während Jan meine Tür schließt. Er scheint sich nicht sonderlich auf den Abend in meiner Gesellschaft zu freuen.
    Ob er vorzöge, mit seinen Freunden allein zu sein? Weshalb hat er dann gefragt?
    Angespannt klammere ich mich an der Sitzkante fest. Meine Fingernägel graben sich in das glatte Leder, und ich drehe den Kopf, um Jan aus den Augenwinkeln zu beobachten. Er schaut stur geradeaus und macht keine Anstalten, die unangenehme Stille zu durchbrechen.

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