Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Reporter inmitten einer bemerkenswerten Unordnung an ihren Schreibtischen arbeiteten. Sie wurde zu einem kleinen Büro mit einer Glastür gewiesen, klopfte an und trat ein. Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen und wartete, daß dieser Gringo mit dem roten Backenbart den Blick von seinen Papieren hob. Er war ein Mann mittleren Alters mit sommersprossiger Haut und einem milden Geruch, der an Kerzen erinnerte. Er schrieb mit der Linken, hielt den Kopf in die Rechte gestützt, und sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber plötzlich nahm sie unter dem Bienenwachsaroma einen Geruch wahr, den sie kannte und der sie an etwas Fernes, Verschwommenes aus der Kindheit erinnerte. Sie beugte sich ein wenig vor und schnupperte verstohlen, aber in dem Augenblick hob der Journalist den Kopf. Verdutzt starrten sie sich in unbequemer Haltung an, und schließlich richteten sich beide gerade auf. An seinem Geruch hatte sie ihn erkannt, trotz der verflossenen Jahre, der Brille, dem Backenbart und der Yankeekleidung. Das war Miss Roses ewiger Freier, jener Engländer, der sich in Valparaíso immer pünktlich zu den Mittwochsgesellschaften eingestellt hatte. Sie war wie gelähmt, konnte nicht fliehen.
    »Was kann ich für dich tun, mein Junge?« fragte Jacob Todd und nahm die Brille ab, um sie mit seinem Taschentuch zu putzen.
    Die schlaue Rede, die sie vorbereitet hatte, war weggewischt aus Elizas Kopf. Sie stand mit offenem Mund, den Hut in der Hand, und war sicher, daß er sie genauso erkannt hatte wie sie ihn. Aber Todd setzte sich nur sorgfältig die Brille wieder auf und wiederholte die Frage, ohne sie anzusehen.
    »Es ist wegen Joaquín Murieta«, stotterte sie, und ihre Stimme klang mehr nach Sopran denn je.
    »Weißt du etwas Neues über den Banditen?« fragte der Journalist sofort interessiert.
    »Nein, nein… Im Gegenteil, ich wollte Sie nach ihm fragen. Ich muß ihn sehen.«
    »Du kommst mir bekannt vor, Junge… Haben wir uns schon mal irgendwo getroffen?«
    »Ich glaube nicht, Señor.«
    »Bist du Chilene?«
    »Ja.«
    »Ich habe vor ein paar Jahren eine Zeitlang in Chile gelebt. Ein schönes Land. Weshalb willst du Murieta sehen?«
    »Es ist sehr wichtig.«
    »Ich fürchte, da kann ich dir nicht helfen. Niemand weiß, wo er sich aufhält.«
    »Aber Sie haben doch mit ihm gesprochen!«
    »Nur, wenn Murieta mich ruft. Er setzt sich mit mir in Verbindung, wenn er wünscht, daß eine seiner Taten in der Zeitung erscheint. Bescheiden ist er nicht, es gefällt ihm, berühmt zu sein.«
    »In welcher Sprache verständigen Sie sich mit ihm?«
    »Mein Spanisch ist besser als sein Englisch.«
    »Sagen Sie, Señor, hat er einen chilenischen oder einen mexikanischen Akzent?«
    »Das könnte ich nicht sagen. Du hörst doch, Junge, ich kann dir nicht helfen«, erwiderte der Journalist und stand auf, um diese Fragerei zu beenden, die ihm allmählich lästig wurde.
    Eliza verabschiedete sich knapp, und er blieb nach– denklich stehen und sah ihr unschlüssig nach, während sie sich durch das Tohuwabohu des Redaktionssaals entfernte. Dieser Junge kam ihm bekannt vor, aber er konnte ihn nicht unterbringen. Plötzlich fiel ihm der Auftrag von Kapitän John Sommers ein, und das Bild des Mädchens Eliza schoß ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Da verband er den Namen des Banditen mit dem Joaquín Andietas und begriff, weshalb sie ihn suchte. Er unterdrückte einen Schrei und rannte hinaus auf die Straße, aber das Mädchen war verschwunden.
    Tao Chi’ens und Eliza Sommers’ wichtigste Arbeit wurde nachts verrichtet. In der Dunkelheit schafften sie die Leichname der Unglücklichen beiseite, die sie nicht hatten retten können, und die übrigen brachten sie ans andere Ende der Stadt, wo eine befreundete Quäkerfamilie lebte. Eine nach der andern entkamen die Mädchen der Hölle und stürzten sich voll Vertrauen in ein neues Leben. Sie hatten die Hoffnung aufgegeben, China und ihre Familien wiederzusehen, einige würden nie mehr ihre Sprache sprechen oder ein anderes chinesisches Gesicht erblicken, sie würden einen Beruf erlernen und für den Rest ihres Daseins hart arbeiten müssen, aber alles würde ein Paradies sein, verglichen mit ihrem früheren Leben. Diejenigen, die Tao ersteigern konnte, paßten sich am besten an. Sie waren auf den Schiffen in Kisten gesperrt gewesen und der Geilheit und Brutalität der Matrosen ausgeliefert, aber sie waren noch nicht völlig gebrochen und hatten sich die Fähigkeit bewahrt, neugierig aufs Leben zu

Weitere Kostenlose Bücher