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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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…«
    »Ihr eßt aber auch komische Sachen, Tao! Meins wird ein französisches Restaurant sein, das beste der Stadt.«
    »Ich schlage dir ein Abkommen vor, Eliza. Wenn du binnen einem Jahr diesen Joaquín nicht findest, heiratest du mich«, sagte Tao Chi’en, und beide lachten.
    Seit diesem Gespräch hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Sie fühlten sich unbehaglich, wenn sie miteinander allein waren, und obwohl sie es im Grunde wünschten, begannen sie sich aus dem Wege zu gehen.
    Das Verlangen, ihr zu folgen, wenn sie sich in ihr Zimmer zurückzog, quälte Tao häufig, aber eine Mischung aus Schüchternheit und Achtung hielt ihn zurück. Er nahm an, daß er, solange sie von der Erinnerung an den ehemaligen Geliebten erfüllt war, sich ihr nicht nähern durfte, aber er konnte auch nicht für unbestimmte Zeit das Gleichgewicht auf einem Schlappseil halten. Er stellte sich vor, wie sie in der erwartungsvollen Stille der Nacht die Stunden zählte, auch sie von der Liebe wach gehalten, aber der Liebe nicht zu ihm, sondern zu einem anderen. Er kannte ihren Körper so gut, daß er ihn bis zum geheimsten Muttermal hätte zeichnen können, wenn er sie auch seit der Zeit auf der »Emilia« nicht mehr nackt gesehen hatte. Er malte sich aus, wenn sie krank wäre, würde er einen Vorwand haben, sie zu berühren, aber dann schämte er sich, daß er so etwas denken konnte. Das spontane Lachen und die verhaltene Zärtlichkeit, die bisher immer wieder zwischen ihnen hervorbrachen, waren einer bedrückenden Spannung gewichen. Wenn sie sich zufällig streiften, wichen sie verlegen zurück; ständig waren sie sich der Gegenwart oder der Abwesenheit des andern bewußt; die Luft schien mit Ahnungen und Vorzeichen befrachtet. Statt sich in gelassenem Einverständnis hinzusetzen, um zu lesen oder zu schreiben, verabschiedeten sie sich voneinander, wenn kaum die Arbeit im Sprechzimmer beendet war. Tao Chi’en ging bettlägrige Patienten besuchen, traf sich mit anderen zhong yi, um Diagnosen und Behandlungen zu besprechen, oder er schloß sich ein und las Bücher über westliche Medizin. Er hegte den Ehrgeiz, eine Genehmigung zu erhalten, mit der er in ganz Kalifornien legal als Arzt wirken konnte, ein Plan, von dem nur Eliza und die Geister von Lin und seinem Akupunkturlehrer wußten. In China begann ein zhong yi als Lehrling und machte dann allein weiter, deshalb bewegte sich jahrhundertelang nichts in der Medizin, und es wurden immer dieselben Methoden und Mittel angewandt. Der Unterschied zwischen einem guten und einem mittelmäßigen Arzt lag darin, daß der erste Intuition für die Diagnose besaß und die Gabe, mit seinen Händen Linderung zu bringen. Die westlichen Ärzte dagegen hatten ein anspruchsvolles Studium hinter sich, blieben miteinander in Kontakt und waren mit neuen Erkennt– nissen auf dem laufenden, verfügten über Laboratorien und Seziersäle zum Experimentieren und standen ständig im Kompetenzwettstreit. Die Wissenschaft faszinierte ihn, aber seine Begeisterung fand kein Echo in der Gemeinde, wo man der Tradition verbunden war.
    Er verfolgte begierig die jüngsten Fortschritte und kaufte jedes Buch und jede Zeitschrift, in denen diese Themen behandelt wurden. So groß war seine Begierde nach dem Neuen, daß er sich das Gebot seines verehrten Meisters an die Wand schreiben mußte: »Wenig nützt das Wissen ohne Weisheit, und es gibt keine Weisheit ohne Geistigkeit.« Nicht alles ist Wissenschaft, wiederholte er sich immer wieder, um es nicht zu vergessen.
    Auf jeden Fall brauchte er die amerikanische Staats– bürgerschaft, die für jemanden seiner Rasse sehr schwer zu bekommen war, aber nur damit würde er in diesem Land bleiben können, ohne immer bloß eine Randfigur zu sein, und nur wenn er offiziell als Arzt anerkannt würde, könnte er wirklich etwas Gutes erreichen, dachte er. Die fan gui wußten nichts von Akupunktur oder von den Kräutern, die seit Jahrhunderten in Asien angewandt wurden, ihn betrachteten sie als so etwas wie einen Kurpfuscher, und so stark war die Verachtung gegenüber anderen Rassen, daß die Plantagenbesitzer den Tierarzt riefen, wenn einer ihrer schwarzen Sklaven krank wurde. Ihre Ansicht über die Chinesen stammte aus derselben Schublade, aber es gab einige vorausschauende Ärzte, die auf Reisen andere Kulturen kennengelernt oder darüber gelesen hatten und sich für die Techniken und die tausend Drogen der östlichen Heilmittelherstellung interessierten. Er war immer noch in

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