Fortunas Tochter
zogen. Sie träumten oft davon, in ein größeres Haus zu ziehen und einen richtigen Garten zu haben nicht nur für praktische Zwecke, sondern auch als Erholung für die Augen und als Freude fürs Gemüt, einen Ort, wo die schönsten Pflanzen Chinas und Chiles wuchsen und wo es ein Gartenhäuschen gab, in dem man an den Abenden sitzen und Tee trinken und im Morgengrauen den Sonnen– aufgang über der Bucht bewundern konnte. Tao Chi’en hatte bemerkt, mit welchem Eifer Eliza das Haus in ein Heim verwandelt hatte, mit welcher Gründlichkeit sie es putzte und in Ordnung hielt, wie beständig sie in jedem Zimmer für frische Blumen sorgte. Er hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, solche Feinheiten zu würdigen; er war in Armut aufgewachsen, und im Haus seines Meisters der Akupunktur fehlte eine weibliche Hand, die es wohnlicher gemacht hätte, und Lin war so zart, sie hatte nicht die Kraft, sich ausgiebig mit häuslichen Arbeiten zu beschäf– tigen. Eliza dagegen hatte den Instinkt der Vögel, wenn sie ihr Nest bauen. Um dem Haus eine behagliche Atmos– phäre zu geben, steckte sie einen Teil des Geldes hinein, das sie sich verdiente, indem sie an zwei Nächten in der Woche in einem Saloon Klavier spielte und außerdem im chilenischen Viertel Empanadas und Torten verkaufte. Auf diese Weise hatte sie Vorhänge, ein Damasttischtuch, Töpfe für die Küche und Teller und Tassen aus Porzellan kaufen können. Für sie gehörten gute Manieren, wie sie sie als Kind gelernt hatte, zum Lebensstil, und sie machte aus der einzigen gemeinsamen Mahlzeit des Tages eine Zeremonie, präsentierte die Gerichte mit vollendeter Anmut und errötete vor Befriedigung, wenn er ihre Bemühungen rühmte. Die täglichen Aufgaben schienen sich von selbst zu erledigen, als ob nachts großmütige Geister das Sprechzimmer säuberten, die Patientenakten auf den neuesten Stand brachten, behutsam Taos Zimmer betraten, um seine Wäsche zu waschen, fehlende Knöpfe anzunähen, seine Anzüge abzubürsten und den Rosen in der Vase auf seinem Tisch frisches Wasser zu geben.
»Überhäuf mich nicht mit Aufmerksamkeiten, Eliza.«
»Du hast gesagt, die Chinesen erwarten, daß die Frauen ihnen dienen.«
»Das ist in China so, aber ich habe dieses Glück sowieso nie gehabt… Du verziehst mich.«
»Darum geht es doch. Miss Rose hat gesagt, um einen Mann zu beherrschen, muß die Frau ihn an ein bequemes Leben gewöhnen, und wenn er sich schlecht benimmt, straft sie ihn damit, daß sie mit der Hätschelei Schluß macht.«
»Ist Miss Rose nicht unverheiratet geblieben?«
»Aus eigenem Entschluß, nicht aus Mangel an Gelegenheiten.«
»Ich will mich gewiß nicht schlecht benehmen, aber später - wie soll ich da allein leben?«
»Du wirst nie allein leben. Du bist nicht gerade häßlich, und es wird immer eine Frau mit großen Füßen und schlechtem Charakter geben, die bereit ist, dich zu heiraten«, erwiderte sie, und er lachte entzückt.
Er hatte ihr hübsche Möbel für ihr Zimmer gekauft, das einzige im Haus, das mit einem gewissen Luxus ausge– stattet war. Wenn sie gemeinsam durch Chinatown gingen, bewunderte sie den Stil der traditionellen chinesischen Möbel. »Sie sind sehr schön, aber schwer. Der Fehler liegt darin, zu viele aufzustellen«, sagte sie. Er schenkte ihr ein Bett und einen Schrank aus geschnitztem, dunklem Holz, und danach wählte sie einen Tisch, Stühle und einen Wandschirm aus Bambus. Sie wollte keine Bettdecke aus Seide, wie sie in China gebräuchlich war, sondern eine europäisch aussehende aus besticktem, weißem Leinen mit großen Kissen aus demselben Material.
»Bist du sicher, daß du dir diese Ausgabe zumuten willst, Tao?«
»Du denkst an die Sing Song Girls…«
»Ja.«
»Du hast selbst gesagt, daß alles Gold Kaliforniens nicht ausreichen würde, jede einzelne zu kaufen. Mach dir keine Sorgen, wir haben genug.«
Eliza vergalt es ihm auf tausenderlei subtile Weise: durch Zurückhaltung, indem sie sein Schweigen und seine dem Studium gewidmeten Stunden respektierte, durch Gewissenhaftigkeit, wenn sie ihm im Sprechzimmer assistierte, durch Mut bei der Aufgabe, die Mädchen zu retten. Doch für Tao war das beste Geschenk ihr unbesiegbarer Optimismus, der ihn nötigte, ihn zu erwidern, wenn die düsteren Schatten ihn völlig einzuhüllen drohten. »Wenn du traurig bist, verlierst du Kraft und kannst niemandem helfen. Komm, machen wir einen Spaziergang, ich muß mal wieder Wald riechen. Chinatown stinkt nach
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