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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Chi’en, den die Erinnerung an Lin schützte, war die Verlockung durch die Frauen leichter zu ertragen als die durch das Spiel. Der Klang der Jetons beim fan tan und der Würfel, wenn sie über den Tisch klapperten, rief ihn mit Sirenenstimme. Mit anzusehen, wie die Männer die Karten mischten, brachte ihn ins Schwitzen, aber er bezwang sich, gestärkt durch die Überzeugung, daß das Glück ihn für immer verlassen würde, wenn er sein Gelübde bräche. Jahre später, nach zahlreichen Abenteuern fragte Eliza ihn, welches Glück er damals gemeint habe, und ohne zweimal nachzudenken, antwortete er, das Glück, zu leben und sie kennengelernt zu haben. An diesem Nachmittag hörte er, daß die Lagerstätten sich an den Flüssen Sacramento, American, San Joaquín und ihren Hunderten von Seitenarmen befänden, aber den Karten sei nicht zu trauen, und die Entfernungen seien beträchtlich. Das leicht gefundene Oberflächengold werde allmählich spärlich. Gewiß, es gab immer noch glückliche Goldsucher, die auf einen Klumpen so groß wie ein Stiefel stießen, aber die meisten fanden sich mit einer Handvoll Staub ab, die mühselig genug zu gewinnen war. Viel wurde vom Gold geredet, sagten sie, aber wenig von dem Opfer, das es kostete, es zu erlangen. Man brauchte eine Unze täglich, um einen Gewinn zu verbuchen, sofern man bereit war, zu leben wie ein Hund, denn die Preise waren unmäßig, und das Gold ging im Nu dahin.
    Die Händler und Geldverleiher dagegen wurden reich, wie zum Beispiel ein Landsmann, der sich auf Wäsche– waschen verlegt hatte und schon nach wenigen Monaten ein Haus aus solidem Material bauen konnte und bereits daran dachte, nach China zurückzukehren, mehrere Ehe– frauen zu kaufen und sich der Erzeugung von Söhnen zu widmen, oder jener andere, der in einer Spielhölle Geld verlieh zu zehn Prozent Zinsen pro Stunde, das heißt, zu mehr als siebenundachtzigtausend pro Jahr. Tao hörte märchenhafte Geschichten über riesige Goldklumpen, über Staub in Hülle und Fülle, mit Sand vermischt, über Goldadern in Quarzgestein, über Maultiere, die mit den Hufen einen Felsbrocken wegscharrten, und darunter erschien ein Schatz, aber um reich zu werden, brauchte es Arbeit und Glück. Den Yankees fehlte die Geduld, sie konnten nicht in der Gruppe arbeiten, wurden von Unordnung und Gier besiegt. Mexikaner und Chilenen verstanden etwas von Grubenarbeit, gaben aber alles wieder aus; Oregonesen und Russen verschwendeten ihre Zeit mit Prügeleien und Saufen. Die Chinesen dagegen machten guten Profit, so ärmlich auch ihre Gerätschaft war, weil sie genügsam waren, sich nicht betranken und achtzehn Stunden am Tag arbeiteten wie die Ameisen, ohne zu ermüden oder sich zu beklagen. Die fan gui waren wütend über den Erfolg der Chinesen, wurde Tao gewarnt, deshalb sei es nötig, Gewinne zu verheimlichen, den Dummen zu spielen, sie nicht zu provozieren, damit es ihnen nicht so übel ergehe wie den stolzen Mexikanern, denen die Yankees halb Kalifornien abgenommen hatten. Ja, erklärten sie ihm, es gebe ein Chilenencamp; es liege etwas abseits vom Stadtzentrum, auf der schmalen Landspitze zur Rechten, und nenne sich Chilecito, aber es sei schon reichlich spät, sich dorthin zu wagen ohne mehr Begleitung als seinen zurückgebliebenen Bruder.
    »Ich gehe zurück zum Schiff«, verkündete Tao, als sie endlich die Spielhölle verlassen hatten.
    »Mir ist so schlecht, als würde ich gleich hinfallen.«
    »Du bist sehr krank gewesen, du mußt tüchtig essen und dich ausruhen.«
    »Ich kann das nicht allein, Tao. Bitte, verlaß mich noch nicht…«
    »Ich habe einen Vertrag, der Kapitän wird mich suchen lassen.«
    »Und wer soll den Befehl ausführen? Alle Schiffe sind ohne Besatzung. Niemand ist an Bord geblieben. Der Kapitän kann sich heiser schreien, keiner von seinen Matrosen wird zurückkommen.«
    Was soll ich bloß mit ihr machen? fragte sich Tao laut auf kantonesisch. Seine Vereinbarung mit ihr endete in San Francisco, aber er fühlte sich nicht fähig, sie an diesem Ort im Stich zu lassen. Er war gefangen, zumindest bis sie kräftiger wurde, sich an andere Chilenen anschloß oder den Aufenthaltsort ihres entlaufenen Liebsten ausfindig machte. Das würde nicht schwierig sein, schätzte er. So chaotisch San Francisco auch anmu– tete, für einen Chinesen gab es nirgends undurchdringliche Geheimnisse, er konnte gut bis zum nächsten Tag warten und sie nach Chilecito begleiten. Die Dunkelheit war hereingebrochen, und

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