Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
Prolog
25. September 1505
Man schreibt das Jahr 1505. Aberglaube, Hexenwahn, Dämonen und böse Geister – zu jener Zeit haben sie den Alltag über weite Gebiete hinweg bestimmt; sie beherrschen das hiesige Leben. Die Inquisition ist voll im Gange, Scheiterhaufen an Scheiterhaufen lodern, der Geruch von verbranntem Fleisch schwängert die Luft, das Schreien vermeintlicher Ketzer und Teufelsbuhler ist landaus und landein nicht zu überhören.
Scharlatane, Wunderheiler, Magier, Alchimisten, Hellseher und Weissager treiben ihr Unwesen zum Trotz der Inquisition, die sie erbarmungslos im Namen der heiligen Kirche verfolgt. In ständiger Angst vor Denunzianten wandern sie durch das Land und verbreiten ihre Lehren, sagen die Zukunft voraus und heilen mit giftigen Pflanzen.
Das kleine Dorf mit dem Namen Harbourn, inmitten der Berge des Vallis-Gebirges nordöstlich der Stadt Melbourn, ist Schauplatz einer Hinrichtung. Ein Mann ist beschuldigt worden, mit den Mächten der Finsternis im Bunde zu stehen: Beschwörungen des Bösen, Zauberei und Magie werfen sie ihm vor.
Die Angst und die Furcht vor der Verteufelung haben sich schon vor Jahren in das Dorf eingeschlichen, unter vorgehaltener Hand wird seit Langem der Arzt, Astrologe und Naturheilkundler Theodor Ephrath Mehrens verdächtigt.
Noch bevor die Nachricht den Großinquisitor erreicht, wird Theodor Ephrath Mehrens der Teufelsbuhlschaft bezichtigt und von einer aufgebrachten Menge in Ketten gelegt. Ein Scheiterhaufen ist errichtet worden und wenige Stunden später verwandeln lodernde Flammen einen gewaltigen Holzstapel in ein einziges Feuermeer.
Das Knistern und Bersten der Holzstämme, die schichtweise übereinandergestapelt worden sind, können weit bis über das kleine Dorf hinaus vernommen werden. Glühend heiß verbreitet sich die Hitze, sie dehnt sich aus wie eine unsichtbare Druckwelle und zwingt die Menschenmenge einige Schritte zurück.
Unentwegt starren sie auf den großen breitschultrigen Mann, dessen pechschwarzes Haar sich über den schwarzen Talar wellt, der seine kräftige Statur noch mächtiger erscheinen lässt. Die feinen, jedoch markanten Gesichtszüge werden von einem dichten gepflegten Vollbart verdeckt, der dem stählernen Blick der braunschwarzen Augen noch mehr Festigkeit verleiht. Mittels einer dicken Eisenkette sind Hände und Füße miteinander verbunden, sodass eine plötzliche Flucht unmöglich ist. Nur wenige Schritte neben ihm steht das Oberhaupt des Dorfes. Der kleine Bucklige wird er nur genannt; seine Gestalt ist kleinwüchsig und außerdem noch von einem Höcker missgebildet. Mit verächtlichen triumphalen Blicken mustert er den Geketteten, lässt mehrmals seinen Blick an ihm hinauf und dann wieder hinabgleiten, doch Theodor scheint keinerlei Notiz von ihm zu nehmen. Seine Augen richten sich unentwegt auf das Zentrum des Feuerherdes, in dem vor wenigen Augenblicken seine Frau und seine Tochter verbrannten.
„Dein Tod wird uns sehr viel Freude bereiten, Hexenmeister!“, spricht der Bucklige in gezwungener Gelassenheit. „Das Unheil, das du über uns gebracht hast, wird nun ein Ende haben.“
Theodor starrt in das lodernde Feuer, würdigt den Buckligen keines Blickes und schreitet auf das Feuer zu. Das Klappern der Ketten mischt sich unter das Getöse des lodernden Scheiterhaufens, die Menge teilt sich, starrt ihn an, aber niemand spricht ein Wort. Die ersten Flammen, die sich wie lechzende Zungen nach ihm ausstrecken, erfassen sein Gewand, züngeln daran bis zu seinem Haar empor, das explosionsartig abfackelt. Schritt für Schritt steigt er über das Holz hinweg in die Feuerbrunst, bis er den gierigen Blicken der Menschenmenge entschwand. Sie starren in die glühende Hitze, erlöst von einer Qual, einer Pein, einem Menschen, dem sie nicht nur die Pest, sondern all das Unheilvolle, welches das Dorf heimsuchte, zuschrieben.
Plötzlich teilte sich das Feuer, als w äre es in der Mitte auseinandergerissen worden; da kommt Theodor zurück, brennend wie eine Fackel und zeigt auf den Buckligen, der wie zu einer Säule erstarrt zu ihm aufsieht.
„Ich komme wieder, Rhodes“, donnert seine mächtige Stimme. Sie hallt lauter denn je, „vergiss nie, die Vergangenheit wird dich eines Tages einholen.“
Unweit der Hinrichtungsstätte wird das Geschehen von einem Jungen beobachtet, dessen Gesicht von schwarzen Flecken gezeichnet ist. Es ist sein Sohn Ephrath, dem es gelungen war, vor dem aufgebrachten Mob zu fliehen.
Kapitel 1
17.
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