Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
darunter einige, die sich als zukünftige Luxushotels ankündigten, aber der Rest war ein Mischmasch von provisorischen Unterkünften, Baracken, Hütten aus Wellblech, Holzbrettern oder Pappe, Lein– wandzelten und Strohschuppen. Die Regen des letzten Winters hatten den Hafen in einen Sumpf verwandelt, die wenigen Fahrzeuge blieben im Morast stecken und brauchten Planken, um die mit Dreck, Scherben von Tausenden Flaschen und anderem Unrat gefüllten Gräben zu überqueren. Es gab weder Abflußrinnen noch Abwas– serkanäle, und die Brunnen waren verseucht; Cholera und Ruhr forderten viele Todesopfer außer unter den Chinesen, die wie gewöhnlich Tee tranken, und den Chilenen, die mit dem verunreinigten Wasser ihres Landes aufgewach– sen und deshalb immun gegen geringere Bakterien waren. Die ungleichartige Menge wimmelte durcheinander, von frenetischem Tätigkeitsdrang getrieben, stoßend und stolpernd mit Baumaterial, Fässern, Kisten zwischen Eseln und Karren. Die chinesischen Träger balancierten ihre Last am Ende einer Tragstange, ohne achtzugeben, wen sie im Vorbeigehen stießen; die Mexikaner, kräftig und geduldig, luden sich eine Last, die ihrem eigenen Gewicht entsprach, auf den Rücken und erklommen die Abhänge im Trab; die Malaien und Hawaiianer ließen keine Gelegenheit aus, eine Prügelei anzufangen; die Yankees ritten zu Pferde in die behelfsmäßigen Läden und quetschten jeden platt, der sich ihnen in den Weg stellte; die echten Kalifornier stellten stolz schön bestickte Jacken zur Schau, dazu silberne Sporen und Hosen, die an den Seiten geschlitzt und vom Gürtel bis zu den Schuhen mit einer doppelten Reihe goldener Knöpfe besetzt waren. Das Geschrei von Streitereien oder Unfällen verband sich mit dem Lärm von Hammerschlägen, Sägen und Spitzhacken. Mit erschreckender Häufigkeit waren Schüsse zu hören, aber niemand regte sich über einen Toten mehr oder weniger auf, der Diebstahl einer Kiste Nägel dagegen zog sofort eine Gruppe entrüsteter Zeitgenossen herbei, die bereit waren, mit eigener Hand Gerechtigkeit zu üben. Eigentum war sehr viel wertvoller als Leben, jeder Raub, der über hundert Dollar hinausging, wurde am Galgen gesühnt.
    Reichlich vorhanden waren Spiellokale, Bars und Saloons, dekoriert mit Bildern nackter Weiblichkeiten aus Mangel an wirklichen Frauen. In den Zelten gab es von allem etwas, vor allem Alkohol und Waffen, und das zu stattlichen Preisen, weil niemand sich die Zeit nahm zu feilschen. Die Kunden zahlten fast immer in Gold, ohne sich lange damit aufzuhalten, den Goldstaub abzustreifen, der an den Waagen hängenblieb. Tao Chi’en entschied, daß der berühmte Gum San, der Goldene Berg, von dem er soviel hatte reden hören, eine Hölle war, und er brauchte nicht lange zu rechnen, um zu erkennen, daß bei den Preisen seine Ersparnisse nicht weit reichen würden. Elizas Schmuckbeutelchen würde nichts bringen, weil die einzig anerkannte Währung das pure Metall war.
    Eliza drängte sich hinter Tao durch die Menge, so gut sie konnte, und hielt sich mit einer Hand an seinem Kittel fest. Sie war dankbar für ihre Männerkleider, denn Frauen waren nirgends zu sehen. Die sieben Passagierinnen der »Emilia« waren augenblicklich in einen der vielen Saloons geführt worden, wo sie zweifellos schon angefangen hatten, die zweihundertsiebzig Dollar zu verdienen, die sie Kapitän Katz für die Fahrt schuldeten.
    Tao Chi’en hatte von den Lastträgern erfahren, daß die Stadt in Sektoren aufgeteilt war, jede Nation hatte ihren eigenen. Sie warnten ihn, sich nur nicht in die Nähe der australischen Strolche zu verirren, die aus schlichtem Zeitvertreib über ihn herfallen konnten, und zeigten ihm die Richtung zu einer Anhäufung von Zelten und Hütten, wo die Chinesen lebten. Dorthin machte er sich jetzt auf.
    »Wie soll ich Joaquín in diesem Tumult bloß finden?« fragte Eliza, die sich ganz verloren und ohnmächtig fühlte.
    »Wenn es ein Chinesenviertel gibt, muß es auch ein Chilenenviertel geben. Such es.«
    »Ich will mich nicht von dir trennen, Tao.«
    »Heute abend muß ich zurück zum Schiff.«
    »Warum? Liegt dir nichts am Gold?«
    Tao Chi’en beschleunigte den Schritt, und sie paßte den ihren an, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. So kamen sie ins Chinesenviertel - Little Canton, wie es genannt wurde -, ein paar überfüllte Straßen, wo er sich sofort wie zu Hause fühlte, denn er sah nicht ein einziges fan gui - Gesicht, die Luft war gesättigt von den

Weitere Kostenlose Bücher