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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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der Oberklasse und von untadeliger Herkunft hinein. Alle Welt weiß, daß Eliza adoptiert ist.«
    »Ich werde schon dafür sorgen, daß sie sie aufnehmen!« rief sie mit einer Leidenschaft aus, die man bei einer Todkranken nicht erwartet hätte.
    »Hör mir zu, Rose, Eliza braucht nicht noch mehr Erziehung. Sie muß eine Stellung annehmen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Was soll aus ihr werden, wenn du und ich nicht mehr da sind, um sie zu beschützen?«
    »Wenn sie gut erzogen ist, wird sie sich auch gut verheiraten«, sagte Rose, warf die Tee-Kompresse auf den Boden und setzte sich im Bett auf.
    »Eliza ist nicht gerade eine Schönheit, Rose.«
    »Du hast sie nur noch nicht genau angesehen, Jeremy. Man kann es von Tag zu Tag verfolgen, sie wird sehr hübsch werden, glaub mir nur. Sie wird mehr als genug Bewerber haben.«
    »Eine Waise ohne Mitgift?«
    »Sie wird eine Mitgift haben!« erwiderte Miss Rose, erhob sich schwankend und zerzaust aus dem Bett und tat barfuß ein paar tastende Schritte.
    »Wieso denn das? Darüber haben wir ja noch nie gesprochen…«
    »Weil der Augenblick noch nie gekommen war, Jeremy. Ein heiratsfähiges Mädchen braucht Schmuck, eine Aussteuer mit genügend Wäsche für mehrere Jahre und all den unentbehrlichen Dingen für den Haushalt, außerdem eine ordentliche Summe, mit der das Paar sich etwas aufbauen kann.«
    »Und darf man fragen, was der Bräutigam dazu beiträgt?«
    »Die Wohnung, und außerdem wird er die Frau für den Rest ihrer Tage unterhalten müssen. Jedenfalls braucht es noch ein paar Jahre, bis Eliza im heiratsfähigen Alter ist, und bis dahin wird sie eine Mitgift haben. John und ich werden es auf uns nehmen, sie ihr zu verschaffen, wir werden dich um keinen Real dafür bitten, aber es lohnt nicht, die Zeit mit Gerede darüber zu verschwenden.
    Du mußt Eliza als deine Tochter ansehen.«
    »Aber sie ist es nicht, Rose.«
    »Dann behandle sie so, als wäre sie meine Tochter. Bist du wenigstens damit einverstanden?«
    »Ja, meinetwegen«, sagte Jeremy Sommers ergeben.
    Die Teeaufgüsse bewährten sich aufs wunderbarste. Die Kranke genas vollkommen, und nach achtundvierzig Stunden hatte sie ihre Sehkraft wiedergewonnen und strahlte vor Freude. Sie widmete sich ihrem Bruder mit bezauberndem Eifer, nie war sie sanfter und freundlicher mit ihm umgegangen. Das Haus kehrte zu seinem gewohnten Rhythmus zurück, und aus der Küche kamen Mama Fresias köstliche kreolische Gerichte auf den Tisch, dazu die von Eliza gebackenen duftenden Brote und die feinen Pasteten, die soviel zum Ruhme der Sommers als gute Gastgeber beigetragen hatten. Von diesem Tag an änderte Miss Rose drastisch ihr bislang so unstetes Verhalten gegenüber Eliza und bemühte sich mit einer nie zuvor gezeigten mütterlichen Hingabe, sie für die Schule vorzubereiten, während sie gleichzeitig begann, Madame Colbert mit unwiderstehlicher Liebenswürdigkeit einzukreisen. Sie hatte beschlossen, daß Eliza über Bildung und Mitgift verfügen und als schön anerkannt sein würde, auch wenn sie es nicht war, denn Schönheit war für Miss Rose eine Frage des Stils. Jede Frau, die sich mit der souveränen Sicherheit einer Schönheit bewegt, wird schließlich alle Welt überzeugen, daß sie es ist, behauptete sie. Der wichtigste Schritt, um Eliza sozial gleichzustellen, wäre eine gute Heirat, da das Mädchen keinen älteren Bruder hatte, der ihr, wie in ihrem eigenen Fall, als Abschirmung dienen konnte.
    Miss Rose selbst sah keinen Nutzen darin, zu heiraten, eine Ehefrau war Eigentum ihres Mannes mit weniger Rechten als ein Dienstbote oder ein Kind, andererseits aber war eine alleinstehende Frau ohne Vermögen den schlimmsten Zumutungen und Belästigungen ausgeliefert. Eine verheiratete Frau, wenn sie es schlau anfing, könnte immerhin den Ehemann am Gängelband führen, und mit ein bißchen Glück könnte sie sogar frühzeitig Witwe werden…
    »Ich würde gern die Hälfte meines Lebens hingeben, wenn ich über die gleiche Freiheit verfügen könnte wie ein Mann, Eliza. Aber wir sind Frauen, und damit sind wir die Dummen. Das einzige, was wir tun können, ist, das bißchen zu nutzen, das wir haben.«
    Sie erzählte Eliza nicht, daß sie selbst das eine einzige Mal, als sie versucht hatte davonzufliegen, sich nur die Nase an der Wirklichkeit gestoßen hatte - sie wollte dem Mädchen keine aufrührerischen Ideen in den Kopf setzen. Sie würde sie in den Künsten der Verstellung, der Manipulation und der

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