Fortunas Tochter
Notar und dem Bischof. Jacob Todd hielt sich diskret fern. Paulina erschien in einem sehr einfachen Kleid, aber als sie das Umschlagtuch abnahm, konnte jeder sehen, daß sie im kurzen Haar herausfordernd ein Diadem trug, das einer Königin angestanden hätte. Sie ging am Arm ihrer zukünftigen Schwiegermutter, die bereit war, für ihre Tugend zu bürgen, aber sie kam ohnedies nicht zu Worte. Da eine weitere Nachricht in der Zeitung das letzte war, was die Familie wünschte, blieb Agustín del Valle nichts anderes übrig, als die rebellische Tochter und ihren unerwünschten Freier zu empfangen. Er tat dies umgeben von seinen Söhnen und Neffen im Speisesaal, der für die Gelegenheit in ein Tribunal verwandelt worden war, während die Frauen der Familie sich in das andere Ende des Hauses zurückgezogen hatten, aber alles bis in die Einzelheiten von den Dienstmädchen erfuhren, die an den Türen lauschten und im Hin und Herlaufen jedes Wort überbrachten. Sie erzählten, das Mädchen habe sich mit all diesen Diamanten präsentiert, die in ihrem Stoppelhaar funkelten, und sei ihrem Vater ohne die geringste Spur von Bescheidenheit oder Angst entgegengetreten, und dann habe sie verkündet, die Leuchter seien noch da, in Wirklichkeit habe sie sie nur genommen, um die Nonnen zu ärgern. Agustín del Valle, berichteten die Dienst– mädchen atemlos, hob eine Reitpeitsche, aber der Bräutigam stellte sich vor seine Braut, um die Strafe abzufangen, und der Bischof, sehr müde, aber mit dem ganzen Gewicht seiner Autorität, mischte sich mit dem unwiderleglichen Argument ein, daß aus der öffentlichen Hochzeit, die die Klatschmäuler zum Schweigen bringen sollte, nichts würde, wenn die Brautleute mit zerschla– genen Gesichtern vor den Altar träten.
»Laß uns eine Tasse Schokolade servieren, Agustín, und setzen wir uns, um die Angelegenheit wie gesittete Menschen zu besprechen«, schlug der kirchliche Würden– träger vor.
So geschah es. Die Tochter und die Witwe Rodríguez de Santa Cruz mußten draußen warten, weil dies eine Sache nur für Männer war, und nachdem diese mehrere Krüge schaumiger Schokolade geleert hatten, kamen sie zu einer Übereinkunft. Sie setzten ein Schriftstück auf, durch das die finanziellen Dinge geregelt und die Ehre beider Seiten gerettet wurde, unterzeichneten es in Gegenwart des Notars und machten sich daran, die Einzelheiten der Hochzeit zu planen. Einen Monat später wohnte Jacob Todd einem unvergeßlichen Fest bei, auf dem die Gastfreundschaft der Familie del Valle Überfloß; es gab Tanz, Gesang und Schlemmerei bis zum nächsten Morgen, und als die Gäste gingen, redeten sie noch lange über die Schönheit der Braut, die beachtlich guten Manieren des Bräutigams und das Glück seiner Schwiegereltern, die ihre Tochter mit einem soliden, wenn auch neuen Vermögen verheiratet hatten. Das junge Ehepaar reiste unmittelbar darauf in den Norden des Landes.
Ein schlechter Ruf
Jacob Todd bedauerte Paulinas und Felicianos Abreise, er hatte mit dem Minenmillionär und seiner lebensprühenden Frau Freundschaft geschlossen. So unbehaglich es ihm unter den Mitgliedern des Club de la Unión zu werden begann, so wohl fühlte er sich unter den jungen Unternehmern. Wie er waren sie von europäischen Ideen geprägt, sie waren modern und liberal im Unterschied zu der alten Landoligarchie, die um ein halbes Jahrhundert zurückgeblieben war. Hundertsiebzig Bibeln waren noch in seinem Besitz, er hatte sie irgendwann unter dem Bett verstaut und dachte kaum mehr an sie, die Wette war ohnedies längst verloren. Das Spanische beherrschte er inzwischen so weit, daß er sich ohne Hilfe verständlich machen konnte, und obwohl Rose Sommers ihn bislang hatte abblitzen lassen, war er immer noch beharrlich in sie verliebt, zwei gute Gründe, in Chile zu bleiben. Die fortgesetzten Kränkungen, die er von ihr erfuhr, waren eine liebe Gewohnheit geworden und konnten ihn nicht mehr verletzen. Er hatte gelernt, sie mit Ironie über sich ergehen zu lassen und ohne Bosheit zurückzugeben wie in einem Ballspiel, dessen Regeln nur sie beide kannten. Er schloß Bekanntschaft mit einer Gruppe Intellektueller und verbrachte ganze Nächte damit, über die Fortschrittsphilosophie französischer und deutscher Schule zu diskutieren ebenso wie über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen aus London und Leipzig, die dem menschlichen Forschergeist neue Horizonte öffneten. Zeit genug zum Lesen, Nachdenken und Diskutieren hatte
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