Fotostudio Plange I (German Edition)
ersten eigenen
Bilder, somit war klar, dass ich eines Tages das Familiengeschäft übernehmen
würde. Insofern war es kein Wunder, dass ich Fotografie erst an der
Kunstakademie in Münster und dann in London und Paris studierte.
Es hätte alles so schön werden können, aber es kam – wie
immer – anders! Mein alter Herr kam leider nie damit klar, dass sein potenzieller
Nachfolger das eigene Geschlecht bevorzugte. Solange meine Mutter noch lebte,
ging es so einigermaßen, wir ließen uns in Ruhe, es herrschte eine gespannte
Stille, zum einen war ich dauernd in der Weltgeschichte als Fotograf respektive
Bildreporter unterwegs, zum anderen gingen wir uns so gut wie möglich aus dem
Weg. Nach ihrem Tod schmiss er mich dann jedoch endgültig aus dem Haus, er
wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Mein Freund Manuel fing mich – Gott
sei Dank – auf und gab mir Kraft. Erst als mein Vater mit den Füßen voran aus
seinem Geschäft getragen wurde, betrat ich nach viereinhalb Jahren zum ersten
Mal wieder mein Elternhaus.
Auf Drängen meines Bruders übernahm ich dann doch das Geschäft
und das Haus in der Ludwigstraße. Wilhelm hatte mich zwar aus seinem Testament
gestrichen und Klaus als Alleinerben eingesetzt, aber irgendwie war Papas
Letzter Wille plötzlich nicht mehr auffindbar. Die gesetzliche Erbfolge trat
ein, wonach wir jeder die Hälfte erhielten. Klaus wohnte ja schon längst mit seiner
Familie in Mamas altem Haus, sie hatte es ihm schon vor Jahren überschrieben.
Erst wollte ich zwar nicht, aber Klaus kann ziemlich hartnäckig sein, wenn er
was er erreichen will.
Nach Jahren des rastlosen, wohl eher erzwungenen,
Umherziehens wurde ich endlich sesshaft, auch wenn das nicht gerade geplant
war.
Marvin war zu dem Zeitpunkt fast 14, ein pubertierender,
verpickelter Jüngling, ziemlich schlaksig, aber die athletische Figur eines
Schwimmers war schon zu erahnen. Die ersten Erfolge im nassen Element hatten
sich schon eingestellt. Als seine Geschwister, die Zwillinge Maximilian und
Philipp, eingeschult wurden, wurde er Landesmeister über 100 m Freistil in
seiner Altersklasse und im Jahr darauf mit seiner Schulmannschaft Stadtmeister
im Handball.
Kurz vor Allerheiligen vor zwei Jahren wurde es dann
turbulent im Leben der Familie Plange.
Klaus, der schon immer für seine Firma mindestens acht
Monate im Jahr auf ausländischen Baustellen weilte, bekam das Angebot für einen
festen Job, allerdings als Leiter der australischen Niederlassung seiner Firma
mit Büro in Sydney. Man trug sich ergo mit Auswanderungsplänen auf den fünften
Kontinent.
Marvin, mittlerweile zum Wasserball gewechselt und Star
der Jugendmannschaft des hiesigen, ziemlich erfolgreichen Schwimmvereins, hatte
sich vor Monatsfrist von seiner Freundin getrennt und wurde ziemlich
verschlossen, ein richtiger Eigenbrötler, der sich immer mehr zurückzog und
niemanden mehr an sich heranließ. Der da fast sechzehnjährige Pennäler mutierte
zum wortkargen Eremiten.
Mein Lover Manuel hatte sich nach ziemlich genau acht
Jahren von mir getrennt. Ihm war das Leben in der Provinz wohl zu viel oder zu
fad. Er, der Tanzlehrer, ging hier in dem beschaulichen Städtchen mit fast
200.000 Einwohnern ein wie eine Primel, während ich, nach anfänglichen
Startschwierigkeiten, langsam anfing, hier wieder aufzublühen. Den Umbau der
Wohnung hatten wir noch gemeinsam begonnen, als die neue Küche geliefert wurde,
ging er.
Tja, und dann kam es zu drei merkwürdigen Zwischenfällen,
an denen Marvin entweder direkt oder indirekt beteiligt war.
Auf der Suche nach einem passenden Geburtstagsgeschenk
für meinen mittlerweile über 170 cm großen Neffen fragte ich Claudia nach
seinem Musikgeschmack, mir schwebten Konzertkarten vor. Sie meinte, im Moment
würde er eher auf deutsche Musik, allerdings etwas inhaltschwer, stehen. Den
Namen der Gruppe kenne sie zwar nicht, sie wolle aber einmal einen genaueren
Blick auf seine CD-Sammlung werfen. Falls ich keine Karten auftreiben könnte, könne
ich mich gerne an ihrem Geschenk, einem ultramodernen Rennrad in Gelb,
beteiligen. Zwei Tage später bekam ich die Antwort: Rosenstolz!
Der Kantor der Marktkirche, ein bärtiger Mann um die 50,
hatte mich gebeten, den Kirchenchor für ein Plakat auf Zelluloid abzulichten.
Eigentlich nichts Weltbewegendes, ein Auftrag wie jeder andere auch, auch wenn
er erst um 20 Uhr abgewickelt wurde. Um Viertel vor acht parkte ich hinter der
Kirche, lud meinen Wagen aus
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