Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
1
Vor den Fenstern des Vernehmungsraums senkte sich Dämmerung herab. Die Luft im Zimmer war stickig und abgestanden und von der Heizung völlig ausgedörrt. Dühnforts Augen brannten, als sei er in einen Mistral geraten. Sein Mund war trocken. Langsam und stetig stieg in ihm eine kaum zu unterdrückende Gereiztheit auf.
Kirsten, die neben ihm saß, streckte sich. »Ich mach mal Licht.« Die Stuhlbeine scharrten übers Linoleum. Flackernd ging die Neonröhre über dem Tisch an.
Mehr als drei Stunden dauerte die Befragung von Katja Behringer nun schon, in deren Verlauf sie von der Zeugin zur Beschuldigten geworden war. Dühnfort hatte sie über ihre Rechte belehrt. Dennoch hatte sie auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet und schien sich sehr sicher zu fühlen. Das Gespräch drehte sich seit einer Stunde mehr oder weniger im Kreis. Sie gab nur zu, was sich nicht länger abstreiten ließ. Es gelang ihnen nicht, sie in Widersprüche zu verwickeln. Gebetsmühlenartig wiederholte sie die immer gleichen Phrasen, klammerte sich an Worte wie an Vorsprünge einer Steilwand, an der sie krampfhaft Halt suchte, während tief unter ihr der Abgrund lauerte. Doch sie kletterte ohne Seil. Sie würde abstürzen. Es war nur eine Frage der Zeit.
»Frau Behringer, ich weiß, dass Sie Manuel Ruge getötet haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, reinen Tisch zu machen. Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Es wird Ihnen guttun und wirkt sich strafmildernd aus.«
Sie senkte die Augen, betrachtete wieder einmal ihre Hände. Schmale, lange Finger. Mauvefarbener Nagellack. Ein Platinreif mit einem Diamanten steckte am linken Ringfinger. »Ich hätte Manuel nie etwas antun können.« Sie blickte auf und neigte den Kopf ein wenig. Mit großen Augen sah sie ihn an. Es machte ihn wütend, dass sie glaubte, er fiele auf dieses unschuldige Kindergetue herein, das sie immer wieder einsetzte. Sie war Anfang dreißig, und er erwartete, dass sie sich entsprechend benahm. Schließlich war sie Wettermoderatorin bei einem privaten Fernsehsender. Einen solchen Job bekam man nur, wenn man sich durchsetzen konnte. Für wie dumm hielt sie ihn?
»Wir haben uns in aller Freundschaft getrennt. Warum hätte ich das tun sollen?« Ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich habe ihn doch geliebt.«
Wie er diesen Satz hasste! In der Regel wurde er von Männern bemüht, die ihre Frauen erschlagen, erdrosselt, erstochen oder auf andere Art getötet hatten, weil sie das Unfassbare gewagt hatten: ihn zu verlassen. Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben. Doch es gab sie, die seltenen Fälle, in denen Frauen aus diesem Grund mordeten. Katja Behringer gehörte zu ihnen. Davon war er überzeugt.
»In aller Freundschaft getrennt? Manuel Ruge hat seiner Frau von Ihrem Auftritt in seinem Büro erzählt. Sie haben gesagt, er würde das büßen und bitter … «
»Mein Gott, was erwarten Sie denn? Sie ist eifersüchtig. Sie hasst mich und wird das Blaue vom Himmel lügen, um mich verdächtig zu machen. In ihren Augen bin schließlich ich die Böse, die ihre ach so tolle Ehe zerstört hat. Dabei hat sie Manuel nicht mehr geliebt als den nächsten Geldautomaten an der Ecke. Sein Einkommen war alles, was sie von ihm wollte. Und dann hängt sie ihm noch ein zweites Kind an. Es ist unglaublich.« In ihrer Stimme lag alle Verachtung, die sie der Frau ihres toten Exgeliebten entgegenbrachte.
»Kehren wir doch noch einmal zu dem Medikament zurück, das Sie sich wegen einer angeblichen Bronchitis … «
»Wieso angeblich? Ich habe mir die Seele aus dem Leib gehustet. Das wird Ihnen mein Arzt bestätigen. Grundlos hat er mir das Antibiotikum sicher nicht verschrieben.«
»Er wollte Ihnen kein Rezept dafür ausstellen. Sie haben darauf gedrängt.«
»Warum sagt er das? Das ist nicht wahr.«
»Und Sie haben das Medikament auch nicht eingenommen. Es fehlen nur zwei Tabletten aus dem Blister.«
»Weil es mir schnell besserging. Deshalb habe ich es abgesetzt.«
»In Ihrem Bad gibt es zahlreiche angebrochene Medikamentenpackungen. Sie werfen sie also nicht leichtfertig weg. Weshalb haben wir das Antibiotikum dann im Müll gefunden?«
»Ich habe es nicht weggeworfen. Nicht absichtlich. Die Schachtel lag auf dem Couchtisch bei den Illustrierten. Sie muss dazwischengeraten sein, als ich sie entsorgt habe.«
Endlosschleife, dachte Dühnfort. So kommen wir nicht weiter. Er brauchte eine Idee und eine Pause. Während
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