Fotostudio Plange I (German Edition)
wieder ein Gastspiel zuhause gibst.“
„Aber auch wenn er wirklich schwul sein sollte, er ist
immer noch mein Sohn. Ich liebe ihn, egal wie er empfindet. Wieso macht er dann
so dicht?“
„Klaus! Er hat die ganze Geschichte zwischen mir und
unserem Vater live mitbekommen! Vielleicht hat er Angst, dass du ähnlich
reagieren könntest!“
„Das ist doch Quatsch! Wir haben uns doch immer gut
verstanden, egal was der Alte sagte, dachte oder machte!“
Ich nickte. „Aber du vergisst einen wichtigen Punkt: Wir
sind leibliche Brüder und er ist …“, ich malte zwei Anführungszeichen in die
Luft, „Er ist nur ein adoptiertes Familienmitglied!“ Es herrschte plötzlich ein
betretenes Schweigen am Tisch.
„Dann bleiben wir halt hier! Ich lehn den Posten in
Australien ab und wir machen so weiter wie bisher! Dann wird alles gut werden,
oder nicht?“ Er klang so, als ob er sich selbst nicht glaubte.
Claudia ließ vor Schreck die Gabel fallen. „Bist du von
allen guten Geistern verlassen?“
„Bruderherz! Was bringt das denn? Wenn du den Job jetzt
ablehnst, wird sich nichts, aber auch rein gar nichts ändern. Du wirst dich
weiterhin auf den Baustellen dieser Welt rumtreiben und ab und an für ein paar
Wochen hier auftauchen und …“
„Chaos verbreiten!“ Claudia lachte, zum ersten Mal
während des Essens.
Ihr Gatte räusperte sich. „Sag mal, kann es sein, dass
ihr euch beide gegen mich verschworen habt?“
„Brüderchen, wo denkst du hin! Solch unanständige Sachen
mache ich nicht! Und dann noch mit einer Frau! Ich bin noch nicht pervers!“
Die Spannung war wie plötzlich verflogen. Beide, Klaus
und Claudia, wünschten sich endlich ein geregeltes, normales Familienleben. Da
man das allerdings nicht in Deutschland haben konnte, es sei denn, man würde
auf die Hälfte des Einkommens verzichten – was beide wiederum auch nicht
wollten – würde man dafür wohl oder übel nach Australien gehen müssen.
Klaus bestellte für noch einen Nachtisch, Joghurt mit
Honig. „Tja, nachdem wir unsere Situation geklärt hätten, bleibt noch ein ganz
kleines Problem, meine Lieben! Was machen wir mit Marvin? Was machen wir, wenn
er wirklich schwul ist? Sollen wir ihm sagen, wir hätten nichts dagegen, wenn
er tatsächlich? … Stefan, was hättest du von unseren alten Herrschaften
erwartet?“
Ich zuckte mit den Schultern: „Gute Frage, die nächste
bitte! Das Wichtigste vor allem ist Vertrauen, Vertrauen und nochmals
Vertrauen! Ihr müsst ihm vertrauen, das ist, wie ich sehe, ja kein Problem,
aber er muss euch auch vertrauen, denn nur dann kommt er auf euch zu.“
„Wir sollen ihn also nicht fragen? Mit ihm reden? Unsere
Position darlegen? Dass wir ihn lieben, auch wenn er wirklich …“
„Klaus! Um Gottes Willen! Das Letzte, was er im Moment
gebrauchen kann, ist ein sanft-gespültes pseudo-liberales Gequatsche!“
„Stefan, du müsstest deinen Bruder eigentlich besser
kennen! Er ist kein Alt-68er und vor allen Dingen kein Pseudo-Liberaler! Er ist
der personifizierte Liberalismus!“
„So meine ich das ja auch nicht! Aber versetzt euch doch mal
in seine Lage: Er ist in einem Gefühlschaos, er ist sich nicht sicher, wie er
fühlen soll, für wen er fühlen soll und wie er diese Gefühle zeigen soll. Erst
wenn das für ihn klar ist, er seinen eigenen Weg gefunden hat, dann kann man
mit ihm vernünftig reden. Aber den ersten Schritt muss er machen! Und den wird
er erst machen, wenn er sich selber zu 100 % sicher ist. Vorher macht ein
solches Gespräch in meinen Augen keinen Sinn.“ Ich räusperte mich. „Wir wissen
ja nicht einmal genau, ob er tatsächlich schwul ist, ich bin mir sicher, er
weiß es im Moment auch nicht! Gut, es mag Anzeichen geben, aber der definitive
Beweis fehlt. Bildlich gesprochen segelt er momentan auf einem ziemlich
aufgewühlten Meer der Gefühle. Aber das gehört zum Erwachsenwerden dazu, den
Weg in den Hafen selbst zu finden. Ich bin mir sicher, er ist ja kein dummer
Junge, er wird ihn selbst finden.“
„Aber wir müssen doch mit ihm reden! Allein schon wegen
Australien.“
„Klaus, auch wenn du FDP-Mitglied bist, aber du willst
wieder einmal zwei, drei Schritte auf einmal machen! Du willst die eierlegende
Wollmilchsau, die es leider nicht gibt und auch nie geben wird.“
Claudia hatte mich anscheinend besser verstanden. „Du
meinst also, wir sollten Schritt für Schritt vorgehen, die
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