Fotostudio Plange I (German Edition)
die
mindestens 15 Zentimeter Regal füllen würden, nicht nur was Marvin mit
seinem Coming-out anbelangt, auch ich musste mich erst in meiner Rolle als
schwuler Onkel zurechtfinden. *fg
Also, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei unserem
Lieblingsgriechen! Wir, Claudia, Klaus und meine Wenigkeit trafen uns in der
Folgezeit öfters, besonders als sich abzeichnete, dass Marvin die Option des
Bleibens ziehen würde. Seine schulischen Leistungen verbesserten sich
erheblich, sogar in Englisch mauserte er sich auf eine Drei; es hilft halt, ein
konkretes Ziel vor Augen zu haben und darauf zuzusteuern.
Gut, in Chemie, Latein und Geschichte habe ich ihm etwas
auf die Sprünge geholfen, unserem kleinen Marvin, aber das Abfragen von
Formeln, Vokabeln und Zahlen, Daten, Fakten betrachte ich nicht aktiven
Förderunterricht im eigentlichen Sinne, sondern eher als einfache Lernhilfe.
Es galt zunächst, die künftige Wohnsituation zu klären.
Nach einigem Hin und Her einigten wir uns auf eine pragmatische Lösung. Ihr
Haus am Sperlingsweg sollte erst einmal vermietet werden. Die Einnahmen hieraus
sollten für Marvins Unterhalt genutzt und gewinnbringend angelegt werden, ein
Teil würde für eine Zugehfrau aufgewendet werden müssen. Im Haushalt kann ich
zwar alles, wenn ich es muss, aber es gibt Dinge, die ich am liebsten vor mir
herschiebe: Ich wasche Wäsche, aber ich hasse es, Hemden zu bügeln; Ich sauge
gern Staub, aber den auch von Regalen wischen? Für all diese ungeliebten
Tätigkeiten hatte ich meine Perle, Swetlana Dobre-Irgendwas, ein Flüchtling aus
dem ehemaligen Jugoslawien, ihren genauen Namen kannte ich zwar nicht, aber sie
war Gold wert! Vier Stunden in der Woche brachte sie bisher meinen Haushalt auf
Vordermann, bei zwei Personen würde sie vermutlich die doppelte Zeit mit der
gleichen Tätigkeit in der Ludwigstraße verbringen müssen. Das war einer der
Preise, die wir zahlen mussten.
Die Wohnung über dem Geschäft hatte ja neben Schlaf- auch
zwei Kinderzimmer. Aus einem wollten Manuel und ich eigentlich ein Gästezimmer
machen, das andere sollte uns als Spielzimmer dienen. Da mein Lover aber
mittlerweile Geschichte und ein Nachfolger nicht in Sicht war, wurde eine extra
Spielwiese nicht mehr benötigt. Aus der Gästebeherbergungsstätte sollte Marvins
privater Rückzugsbereich werden; er nannte es Chill-out-Zone, immer diese
neumodischen Bezeichnungen!
In der letzten Woche vor den Sommerferien sollte dann
eine Art „Probewohnen“ stattfinden, ob Marvin und ich überhaupt miteinander klarkommen
würden. Danach wollten Claudia und Klaus mit ihren Söhnen noch einmal gemeinsam
in den Urlaub fahren, ehe es für sie in die heiße Phase der Übersiedlung gehen
würde. Während sie also unter südlicher Sonne brutzeln würden, würde ich den
Umbau des Hauses in der Ludwigstraße beaufsichtigen, denn irgendwoher musste
Platz für die Sachen, die hier bleiben sollten, wie Klaus alte
Modelleisenbahnanlage oder Claudias Überseekoffersammlung (wie kann man so
etwas sammeln?), ja kommen.
Ende Mai kam dann Marvin mit der Idee eines
Abschiedsgeschenks für seine Liebsten an. Er wollte ihnen einen ganz privaten
Kalender schenken, ich sollte die Aufnahme dafür machen. An sich ein
hervorragender Einfall, aber die Umsetzung der verschiedenen Motive zog sich
fast über vier Wochen hin.
Ein Grund hierfür war, ich hatte keine meinen Ansprüchen
genügende Unterwasserkamera, ich musste sie erst bestellen. Einige Aufnahmen
sollten ihn in seinem Element, dem Wasser, zeigen. Schwimmer von Oben oder der
Seite kann jeder Hans und Franz fotografieren, ich wollte ihn aber von Unten
haben, ausschließlich des Effektes wegen, versteht sich.
Er nahm mich mit eines Mittwochnachmittags mit zum
Training. Während die Schwimmer ihre ersten Bahnen zogen, machte ich ein paar
Aufnahmen des Aufwärmprogramms. Marvin hatte die ganze Aktion zwar mit seinem
Trainer abgesprochen und der war einverstanden, aber die Anwesenheit einer
vereinsfremden Person samt umfangreichem Fotoequipment war dem Vertreter des
Vereinsvorstandes wohl etwas suspekt. Barfuß kam der Herr im Anzug auf mich zu,
ich schätzte ihn auf Mitte 40, leichter Bauch und schwarzer
Kaiser-Wilhelm-Bart.
„Darf ich fragen, was sie hier machen?“
„Sieht man das nicht?“ Ich deutete auf meine Ausrüstung.
Er zwiebelte sich die Schnurrbartspitze. „Entschuldigung,
die Frage war dumm. Ich wusste nichts von irgendwelchen
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