Fotostudio Plange I (German Edition)
einzelnen Probleme
getrennt voneinander lösen, auch wenn sie zusammenhängen?“
„Genau. Bleiben wir mal bei dem Bild von eben: Der Wind
auf dem Meer der Gefühle, auf der sein kleines Gefühlssegelboot gerade treibt,
hat durch die Frage: ‚Australien! Ja oder nein?‘ erheblich aufgefrischt, aus
dem Sturm ist ein Orkan geworden.“
„Stefan! Das ist mir zu hoch, die Statik eines Staudammes
kann ich berechnen, dafür gibt es Tabellen, aber bei Gefühlen? Da muss ich
passen! Wenn ich mal bei deinem Bild bleibe: Ich will, dass Marvin sicher im
Hafen ist! Ich will ihn da drinnen haben!“
„Dann sei ihm Seekarte und Leuchtturm, nicht mehr und nicht
weniger. Wenn ihr jetzt, von euch aus, ohne offensichtlichen Anlass, auf ihn zu
geht und sagt: ‚Marv, dein Schwulsein ist kein Problem für uns!‘, dann nimmst
du ihm mehr, als du ihm dadurch gibst, auch wenn du es mehr als gut mit ihm
meinst!“ Ich blickte in erstaunte Augen. „Er ist auf dem Weg, ein Mann zu
werden. Auch wenn ich von Mannwerdungsritualen nicht viel halte, aber das muss
er jetzt mit sich selber ausmachen. Wenn du jetzt als Schlepper fungierst und,
ohne das er selbst irgendwie steuernd eingreifen kann, ihn in den Hafen ziehst,
dann ist er war sicher, aber er wird nie das tolle Gefühl haben, es von sich
aus, es selbst geschafft zu haben!“
Claudia trank den letzten Schluck ihres Wassers. „Was
sollen wir seiner Ansicht nach machen?“
Ich überlegte kurz. „Wir müssen erst mal dafür sorgen,
dass der Orkan sich legt. Fragt ihn einfach, was er will: ob er mit euch nach
Australien, in ein für ihn fremdes und unbekanntes Land, gehen will oder ob er
lieber hier in seinem gewohnten Umfeld bleiben möchte.“
„Aber er kann doch nicht alleine hier bleiben!“ Claudia
wirkte leicht geschockt.
„Wer sagt denn, dass er allein ist? Ich bin schließlich
ja auch noch da. Wohnen könnte er bei mir, also die Unterbringung wäre das
geringste Problem.“
„Ich soll mein Kind alleine hier zurückgelassen?“
„Claudia, das klingt zu negativ. Niemand sagt, du sollst
ihn verlassen. Du sollst ihm die einmalige Chance geben, sich selbst zu
entscheiden, das ist alles!“
„Ich käme mir trotzdem vor wie eine Rabenmutter!“
„Das bist du nicht! Eine Rabenmutter wärst du, wenn nicht
auf seine Wünsche eingehen würdest, wenn du für ihn, über seinen Kopf hinweg,
entscheidest und ihn vor vollendete Tatsachen stellst.“ Ich trank mein Glas
Rotwein aus. „Bis zu den Sommerferien sind es ja noch über drei Monate, also
Zeit genug. Ich würde ihm folgenden Vorschlag unterbreiten: ‚Marvin, du kennst
die berufliche Situation deines Vaters und wir wollen endlich ein normales
Familienleben führen, wo der Mann mehr als zwei Wochen hintereinander anwesend
ist. Das geht leider nicht hier, sondern nur auf einem anderen Kontinent. Wir
könnten dich zwar ohne Weiteres mitnehmen, aber wir überlassen dir die
endgültige Entscheidung. Wenn du hier bleiben willst, dann geht das nur, wenn
das Vertrauen stimmt. Du wohnst bei deinem Onkel und dein Notendurchschnitt
sinkt nie unter 2,0 … ähm … sagen wir besser 2,3.“
Die beiden schauten sich an und Klaus sprach den Wirt,
die am Nebentisch stand, an: „Costas, bring uns bitte mal eine Flasche Sekt und
drei Gläser. Wir haben was zu feiern und noch viel zu bereden.“
Drei Tage später stand Marvin plötzlich im Laden. Er sah
zwar noch etwas mitgenommen aus, aber schon besser als an dem Tag der Rückkehr
vom fünften Kontinent. Er fiel mir in die Arme und sagte einfach nur: „Danke!“
Tja, lieber Leser, ich hoffe doch inständig, der Ausflug
in die Vergangenheit nicht zu langweilig war und einige Fragen, die im ersten
Teil unbeantwortet blieben, nun geklärt sind. Einiges kann man sich aber auch
zusammenreimen: Offensichtlich hat Marvin gelernt und wurde ein guter Schüler
und entschied sich für die Fortsetzung seiner Wasserballkarriere und einem
Zusammenleben mit seinem schwulen Onkel.
Klar, in der Zeit bis zu dem Telefonat muss noch so
einiges passiert sein, aber das dürfte hier ja kein interessieren. Falls das
jedoch von Interesse sein sollte, bitte ich um entsprechende Rückmeldung! *fg
Bettgespräche
Ihr wolltet es ja nicht anders! Aber seid mir bitte nicht
böse, wenn ich das Tempo bis zum Telefonat etwas anziehe. In den anderthalb Jahren
ist unheimlich viel passiert, ich könnte ganze Romane darüber schreiben,
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