Foundation 05: Das Foundation-Projekt
stand auf, ihre Lippen waren schmal geworden. Ehe sie den
Raum verließ, äußerte sie nur noch eine Bitte:
»Wirf den Jungen nicht den Wölfen vor, Hari.«
Und als sie draußen war, sagte Seldon leise: »Ich
fürchte, genau das werde ich tun, Raych. Ich muß dich den
Wölfen vorwerfen.«
8
Sie saßen sich in Seldons Privatbüro gegenüber,
seiner ›Denkerklause‹, wie er es nannte. Hier verbrachte er
unzählige Stunden damit, neue Wege zu ersinnen, um durch das
Labyrinth kaiserlicher und trantoranischer Politik zu gelangen oder
es zu umgehen.
»Hast du viel über die jüngsten Störungen im
planetaren Versorgungswesen gelesen, Raych?« fragt er nun.
»Gewiß«, sagte Raych, »aber weißt du,
Dad, unser Planet ist eben nicht mehr der jüngste. Eigentlich
müßten wir die gesamte Bevölkerung evakuieren,
sämtliche Leitungen freilegen und erneuern, die modernsten
elektronischen Steuerungsanlagen einbauen und dann die Leute wieder
zurückholen – möglichst nur die Hälfte. Mit
zwanzig Milliarden Menschen wäre Trantor nämlich viel
besser bedient.«
»Und welche zwanzig Milliarden?« fragte Seldon
lächelnd.
»Wenn ich das wüßte«, seufzte Raych.
»Die Schwierigkeit ist, wir können den Planeten nicht von
Grund auf sanieren, also müssen wir weiterhin Flickschusterei
betreiben.«
»Das fürchte ich auch, Raych, trotzdem kommen mir ein
paar Dinge sehr merkwürdig vor. Und jetzt sollst du den Kritiker
spielen. Ich habe nämlich einige Überlegungen
angestellt.«
Er zog eine kleine Kugel aus der Tasche.
»Was ist das?« fragte Raych.
»Eine besonders umfassend programmierte Karte von Trantor. Tu
mir doch den Gefallen, Raych, und mach den Tisch frei.«
Seldon stellte die Kugel in die Tischmitte und berührte eine
in die Armlehne seines Schreibtischstuhls eingelassene
Schlüsseltaste. Auf Daumendruck erlosch die Raumbeleuchtung,
während die Tischplatte in einem weichen, elfenbeinfarbenen
Licht erstrahlte, das etwa einen Zentimeter in die Tiefe zu gehen
schien. Die Kugel war flach geworden und breitete sich nun aus bis an
die Kanten.
Langsam bildeten sich dunklere Stellen, ein Muster entstand. Nach
etwa dreißig Sekunden sagte Raych überrascht: »Es ist
tatsächlich eine Karte von Trantor.«
»Natürlich. Das sagte ich doch. Allerdings bekommst du
dieses Spielzeug nicht in jedem Bezirkskaufhaus. Mit solchen Dingen
amüsieren sich unsere Streitkräfte. Ich könnte dir
Trantor auch in Kugelform präsentieren, aber an der
zweidimensionalen Projektion läßt sich besser erkennen,
was ich dir zeigen will.«
»Und was willst du mir zeigen, Dad?«
»Nun, in den letzten ein bis zwei Jahren kam es immer wieder
zu Pannen. Wie du schon sagtest, ist unser Planet nicht mehr der
jüngste, und man muß mit gewissen Ausfällen rechnen,
aber die Störungen treten immer häufiger auf und lassen
sich offenbar fast ausnahmslos auf menschliches Versagen
zurückführen.«
»Ist das nicht einleuchtend?«
»Natürlich. Innerhalb gewisser Grenzen. Aber hier ist
die Ursache immer die gleiche, sogar bei Erdbeben.«
»Erdbeben? Auf Trantor?«
»Zugegeben, Trantor ist ein Planet mit relativ geringer,
seismischer Aktivität – und das ist auch gut so, es
wäre nämlich nicht sehr zweckmäßig, eine Welt
mit einer Kuppel zu umschließen, wenn diese Welt sich mehrmals
im Jahr heftig schüttelt und dabei jedesmal einen
Kuppelabschnitt zerstört. Deiner Mutter zufolge war einer der
Gründe, warum Trantor und nicht eine andere Welt zum Sitz der
kaiserlichen Regierung erkoren wurde, daß es aus geologischer
Sicht eine sterbende Welt ist – der wenig schmeichelhafte
Ausdruck stammt von ihr. Dennoch ist eine sterbende Welt noch keine
tote Welt. Gelegentlich gibt es kleinere Erdbeben – in den
letzten beiden Jahren waren es drei.«
»Davon hatte ich keine Ahnung, Dad.«
»Die wenigsten Menschen wissen davon. Die Kuppel besteht
nicht aus einem Stück, sondern aus Hunderten von Segmenten, die
alle angehoben und lose wieder aufgelegt werden können, um die
bei einem Erdbeben auftretenden Spannungen und Kompressionen zu
verringern. Da ein solches Erdbeben nicht länger als zehn
Sekunden bis eine Minute dauert, braucht man auch die Kuppel immer
nur ganz kurz zu öffnen. Das Ganze geht so schnell, daß
die unter dem betreffenden Abschnitt lebenden Trantoraner gar nichts
davon wahrnehmen. Das schwache Zittern des Bodens und das leise
Klappern des Geschirrs ist sehr viel aufsehenerregender als der
Umstand, daß für einen
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