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Keltengrab: Thriller (German Edition)

Keltengrab: Thriller (German Edition)

Titel: Keltengrab: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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    Ihr Körper sah aus wie erstarrter Asphalt, und ich nahm an, er würde sich ebenso hart anfühlen. Doch als ich ihre Hand ergriff, war die Haut wie feuchtes Leder, voll gesogen und weich, so wie meine Handschuhe immer wurden, wenn ich als Kind Schneebälle geworfen hatte. Und genau in diesem Augenblick begann Schnee, fein wie Mehl, vom Himmel zu rieseln und sprenkelte die schwarze Erde und die Frau, die zusammengepresst darin lag.
    Seamus Crean, der Baggerführer, der sie gefunden hatte, saß über mir in seinem Führerhaus, nachdem er die Schaufel so geneigt hatte, dass ich den längs in ihr liegenden Körper besser betrachten konnte.
    Eine Stunde zuvor war Crean dabei gewesen, einen Graben zu verbreitern, der entlang einer sumpfigen Wiese verlief, als er etwas aushob, das er für den knorrigen Ast einer Mooreiche hielt, der im Torf feststeckte. Er stieg von seinem Gefährt, um nachzusehen, und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er die geschwärzten Überreste eines Menschen ausgegraben hatte.
    Und da war noch etwas gewesen. Crean zufolge hatte es sich unter der freiliegenden Hand des Kadavers befunden, teilweise in einem Torfbrocken verborgen, den die Schaufelzähne vom größeren Teil des Aushubs abgetrennt hatten. Er beschrieb es mir als Holzschnitzerei oder vielleicht eine Puppe, und es war in den Graben gefallen, als er versuchte, es aufzuheben.
    Die Wiese lag am Fluss Boyne, gegenüber von Newgrange, einem von mehreren Ganggräbern in der fünftausend Jahre alten Nekropolis Bru na Boinne, einem Weltkulturerbe. Eine Moorleiche, die am gegenüberliegenden Ufer auftauchte, konnte deshalb von erheblicher archäologischer Bedeutung sein.
    Als Crean das Besucherzentrum benachrichtigte, war er sich absolut sicher gewesen, dass es sich um eine weibliche Leiche handelte. Ich sah jetzt, weshalb. Zwar steckte sie von den Füßen über die Rippen bis zum Schädel wie eine dünne Sandwichfüllung zwischen zwei Lagen aus feuchtem Torf, der rechte Arm samt Schulter ragte jedoch aus dem Morast, vollständig und vollkommen erhalten, von den Windungen der Fingerspitzen bis zu den feinen Haaren auf der Haut, von den Sehnen- und Muskelsträngen in ihrem Unterarm bis zur glatten Mulde ihrer Achselhöhle über der leer gepressten Brust.
    Außer kleinen Knochenfragmenten hatte man von den jungsteinzeitlichen Erbauern der Boyne-Gräber nie etwas gefunden, deshalb begeisterte mich die – zugegebenermaßen geringe – Möglichkeit, dass die Frauenleiche eventuell aus dieser weit zurückliegenden Zeit stammte. Sie konnte nicht nur dringend nötige Aufklärung darüber liefern, wer diese Leute gewesen waren, sondern auch, welche Absichten sie verfolgt hatten.
    Und seien wir ehrlich, nichts lieben Archäologen mehr, als wenn sie konservierte Menschen finden, egal ob diese in Wüsten luftgetrocknet, in Salzminen gepökelt, auf Bergspitzen tiefgefroren oder in Sümpfen eingelegt worden waren. Die Beigaben, die mit den mumifizierten Toten begraben wurden – Schmuck, Tonwaren, Kleidung -, sie sind natürlich wichtig. Aber was wir im Innern der Mumien finden – ihre intakten Skelette und Organe -, das erst führt uns wirklich in ihre Zeit zurück und erlaubt uns, genau zu beschreiben, was beim letzten Mahl eines Bauern auf dem Speisezettel gestanden hatte; es lässt uns feststellen, ob die Gelenke eines Mönches wegen Arthritis gescheuert hatten, oder die Spuren der Parasiten verfolgen, die an der Leber eines Pharaos genagt hatten.
    Doch sobald ich die Moorfrau in ihrem klammen Sarkophag sah, wich meine berufliche Begeisterung einem leichten Anflug von Mitgefühl für sie und ihr herzloses Schicksal. Nicht genug damit, in ein wässriges Grab gesunken – möglicherweise ertrunken – zu sein, war sie im Lauf der Zeit auch noch in ein ledernes Fossil verwandelt worden, das man nun aus der Erde gerissen hatte und bald zur Schau stellen würde, damit wildfremde Leute es begaffen konnten. Und deshalb wollte ich ihr mit ein wenig Anstand begegnen und dachte, es sei ein guter Anfang, ihre Hand zu berühren, sie sogar leicht zu drücken.
    Meine nächste Sorge galt dem Gegenstand, der mit der Frau begraben worden war. Ich machte Crean ein Zeichen. Er stellte den Motor seines Baggers ab und kletterte mühsam vom Führerhaus herunter. Der Radbagger thronte auf einem Damm, der entlang des Abflussgrabens zum Flussufer verlief und die Sumpfwiese von einer benachbarten Weide trennte. In deren Mitte drängten sich einige friesische Rinder unter

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