Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
oder auch als Schauplatz nächtlicher
Orgien. Wer auf Florina davon hatte erzählen hören, stellte
sich ein Paradies vor, hundertfach größer und hundert- bis
tausendmal prächtiger als die Realität.
Die an sich schon erfreulich genug gewesen wäre. In Florinas
mildem Klima grünte es das ganze Jahr. Rasenflächen und
Wäldchen wechselten sich ab mit steinernen Grotten. In einem
kleinen Teich schwammen Zierfische, und in einem größeren
Teich konnten die Kinder planschen. Bei Nacht erstrahlte der Park so
lange im Licht bunter Scheinwerfer, bis die ersten leichten
Regenschauer einsetzten. In der Zeit zwischen dem Anbruch der
Dämmerung und dem Regen herrschte hier besonders reger Betrieb.
Es gab Tanzveranstaltungen und Trimensionalshows, und so manches
Liebespärchen verdrückte sich auf den vielfach gewundenen
Pfaden.
Terens selbst hatte den Park bisher nie betreten, nun fühlte
er sich von der künstlichen Umgebung abgestoßen. Er
wußte ja, daß sich unter der Erde und den Steinen, unter
dem Wasser und den Bäumen nur eine flache Betonplatte befand,
und das störte ihn. Wenn er an die langen, ebenen Kyrtfelder und
an die Gebirgszüge im Süden dachte, empfand er für die
Fremden, die bei all dieser natürlichen Schönheit auf
solche Spielereien angewiesen waren, nichts als Verachtung.
Eine halbe Stunde lang irrte Terens ziellos über das
Gelände. Was er zu tun hatte, mußte im Stadtpark
geschehen. Anderswo war es unmöglich, und selbst hier war nicht
sicher, daß er seinen Plan durchführen konnte.
Niemand nahm Notiz von ihm, ja, er war überzeugt, daß
man ihn nicht einmal bemerkte. Mochte man doch die ›Herren‹
und ›Herrinnen‹ fragen, die ihm begegnet waren: »Haben
Sie gestern im Park einen Gendarmen gesehen?«
Sie würden nur erstaunte Gesichter machen. Ebenso gut
könnte man sich erkundigen, ob sie eine Maus über den Weg
hatten huschen sehen.
Die Natur war hier allzu sehr gezähmt. Allmählich
erfaßte ihn Panik. Er stieg eine Treppe empor, die zwischen
Felswänden nach oben und auf der anderen Seite in eine
beckenförmige Senke hinabführte. Das Becken war von kleinen
Felsgrotten umgeben, Schlupfwinkel für Liebespärchen, die
vom nächtlichen Regen überrascht wurden. (Ein
Mißgeschick, das häufiger passierte, als es mit dem Zufall
allein zu erklären gewesen wäre.)
Hier fand er, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte.
Einen Mann! Oder vielmehr einen ›Herrn‹. Er ging rasch
auf und ab. Zog hektisch an seiner Zigarette, warf den Stummel in
einen Aschenbecher, wo er einen Moment lang liegenblieb und dann mit
einem kurzen Aufblitzen verschwand. Schaute auf seine Taschenuhr.
Niemand sonst war in der Senke. Dies war ein Treffpunkt für
den Abend oder für die Nacht.
Der ›Herr‹ wartete auf jemanden, soviel war sicher.
Terens sah sich um. Niemand kam hinter ihm die Treppe herauf.
Vielleicht gab es noch weitere Treppen. Wahrscheinlich sogar.
Gleichviel. Er konnte diese Chance nicht ungenutzt vorübergehen
lassen.
Er stieg die Stufen hinab. Der ›Herr‹ bemerkte ihn
natürlich erst, als er ihn ansprach. »Verzeihen Sie die
Störung.«
An sich wäre das respektvoll genug gewesen, aber
›Herren‹ sind es nicht gewöhnt, daß ein Gendarm
sie, wie respektvoll auch immer, am Ellbogen berührt.
»Verdammt, was soll das?« fuhr der ›Herr‹
auf.
Terens sprach sofort weiter, immer noch respektvoll, aber mit
Nachdruck. (Laß ja keine Pause eintreten. Zieh seinen Blick auf
dich, nur für eine halbe Minute!) »Bitte folgen Sie mir,
Gnädiger Herr«, sagte er. »Es geht um die stadtweite
Fahndung nach dem florinischen Mörder.«
»Was reden Sie denn da?«
»Es dauert nur einen Moment.«
Terens hatte unbemerkt seine Neuronenpeitsche gezogen. Der
›Herr‹ war völlig ahnungslos. Ein leises Surren, er
zuckte kurz zusammen und fiel um wie ein Baum.
Der Schultheiß hatte noch nie die Hand gegen einen
›Herrn‹ erhoben. Auf die Übelkeit, die ihn nun
schüttelte, und auf diese quälenden Schuldgefühle war
er nicht gefaßt.
Noch immer war niemand zu sehen. Er schleppte den reglosen
Körper mit den starren, glasigen Augen in die nächste
Grotte und legte ihn am hinteren Ende ab.
Hier entkleidete er den ›Herrn‹ Stück für
Stück, ein mühsames Unterfangen, da Arme und Beine
vollkommen steif waren. Schließlich entledigte er sich seiner
staubigen, verschwitzten Gendarmenuniform und stieg in die
Unterwäsche des ›Herrn‹. Zum ersten Mal in seinem
Leben spürte er Kyrtgewebe am
Weitere Kostenlose Bücher