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Fräulein Else - Novelle

Fräulein Else - Novelle

Titel: Fräulein Else - Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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„Ist schon um den Arzt geschickt?“ – „Es ist ein Ohnmachtsanfall.“ – Wie weit sie alle weg sind. Sie sprechen alle vom Cimone herunter. – „Man kann sie doch nicht auf dem Boden liegen lassen.“ – „Hier ist ein Plaid.“ – „Eine Decke.“ – „Decke oder Plaid, das ist ja gleichgültig.“ – „Bitte doch um Ruhe.“ – „Auf den Diwan.“ – „Bitte doch endlich die Türe zu schließen.“ – „Nicht so nervös sein, sie ist ja geschlossen.“ – „Else! Else!“ – Wenn die Tante nur endlich still wär! – |120| „Hörst du mich Else?“ – „Du siehst doch, Mama, daß sie ohnmächtig ist.“ – Ja, Gott sei Dank, für Euch bin ich ohnmächtig. Und ich bleibe auch ohnmächtig. – „Wir müssen sie auf ihr Zimmer bringen.“ – „Was ist denn da geschehen? Um Gottes willen!“ – Cissy. Wie kommt denn Cissy auf die Wiese. Ach, es ist ja nicht die Wiese. – „Else!“ – „Bitte um Ruhe.“ – „Bitte ein wenig zurückzutreten.“ – Hände, Hände unter mir. Was wollen sie denn? Wie schwer ich bin. Pauls Hände. Fort, fort. Der Filou ist in meiner Nähe, ich spüre es. Und Dorsday ist fort. Man muß ihn suchen. Er darf sich nicht umbringen, ehe er die fünfzigtausend abgeschickt hat. Meine Herrschaften, er ist mir Geld schuldig. Verhaften Sie ihn. „Hast du eine Ahnung, von wem die Depesche war, Paul?“ – „Guten Abend, meine Herrschaften.“ – „Else, hörst du mich?“ – „Lassen Sie sie doch, Frau Cissy.“ – „Ach Paul.“ – „Der Direktor sagt, es kann vier Stunden dauern, bis der Doktor da ist.“ – „Sie sieht aus, als wenn sie schliefe.“ – Ich liege auf dem Diwan, Paul hält meine Hand, er fühlt mir den Puls. Richtig, er ist ja Arzt. – „Von Gefahr ist keine Rede, Mama. Ein – Anfall.“ – |121| „Keinen Tag länger bleibe ich im Hotel.“ – „Bitte dich, Mama.“ – „Morgen früh reisen wir ab.“ – „Aber einfach über die Dienerschaftsstiege. Die Tragbahre wird sofort hier sein.“ – Bahre? Bin ich nicht heute schon auf einer Bahre gelegen? War ich nicht schon tot? Muß ich denn noch einmal sterben? – „Wollen Sie nicht dafür sorgen, Herr Direktor, daß die Leute sich endlich von der Türe entfernen.“ – „Rege dich doch nicht auf, Mama.“ – „Es ist eine Rücksichtslosigkeit von den Leuten.“ – Warum flüstern sie denn alle? Wie in einem Sterbezimmer. Gleich wird die Bahre da sein. Mach' auf das Tor, Herr Matador! – „Der Gang ist frei.“ – „Die Leute könnten doch wenigstens so viel Rücksicht haben.“ – „Ich bitte dich, Mama, beruhige dich doch.“ – „Bitte, gnädige Frau.“ – „Wollen Sie sich nicht ein wenig meiner Mutter annehmen, Frau Cissy?“ – Sie ist seine Geliebte, aber sie ist nicht so schön wie ich. Was ist denn schon wieder? Was geschieht denn da? Sie bringen die Bahre. Ich sehe es mit geschlossenen Augen. Das ist die Bahre, auf der sie die Verunglückten tragen. Auf der ist auch der Doktor Zigmondi gelegen, der vom Cimone abgestürzt ist. Und |122| jetzt werde ich auf der Bahre liegen. Ich bin auch abgestürzt. „Ha!“ Nein, ich will nicht noch einmal schreien. Sie flüstern. Wer beugt sich über meinen Kopf? Es riecht gut nach Zigaretten. Seine Hand ist unter meinem Kopf. Hände unter meinem Rücken, Hände unter meinen Beinen. Fort, fort, rührt mich nicht an. Ich bin ja nackt. Pfui, pfui. Was wollt Ihr denn? Laßt mich in Ruhe. Es war nur für Papa. – „Bitte vorsichtig, so, langsam.“ – „Der Plaid?“ – „Ja, danke, Frau Cissy.“ – Warum dankt er ihr? Was hat sie denn getan? Was geschieht mit mir? Ah, wie gut, wie gut. Ich schwebe. Ich schwebe. Ich schwebe hinüber. Man trägt mich, man trägt mich, man trägt mich zu Grabe. – „Aber mir sein das g'wohnt, Herr Doktor. Da sind schon Schwerere darauf gelegen. Im vorigen Herbst einmal zwei zugleich.“ – „Pst, pst.“ – „Vielleicht sind Sie so gut, vorauszugehen, Frau Cissy und sehen, ob in Elses Zimmer alles in Ordnung ist.“ – Was hat Cissy in meinem Zimmer zu tun? Das Veronal, das Veronal! Wenn sie es nur nicht weggießen. Dann müßte ich mich doch zum Fenster hinunterstürzen. – „Danke sehr, Herr Direktor, bemühen Sie |123| sich nicht weiter.“ – „Ich werde mir erlauben, später wieder nachzufragen.“ – Die Treppe knarrt, die Träger haben schwere Bergstiefel. Wo sind meine Lackschuhe? Im Musikzimmer geblieben. Man wird sie stehlen. Ich habe sie der Agathe

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