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Fräulein Else - Novelle

Fräulein Else - Novelle

Titel: Fräulein Else - Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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regelmäßig üben. Überhaupt ein anderes Leben anfangen. Das müssen wir alle. So darf es nicht weitergehen. Ich werde einmal ernsthaft mit Papa sprechen – wenn noch Zeit dazu sein sollte. Es wird, es wird. |38| Warum habe ich es noch nie getan? Alles in unserem Haus wird mit Scherzen erledigt, und keinem ist scherzhaft zu Mut. Jeder hat eigentlich Angst vor dem Andern, jeder ist allein. Die Mama ist allein, weil sie nicht gescheit genug ist und von niemandem was weiß, nicht von mir, nicht von Rudi und nicht vom Papa. Aber sie spürt es nicht und Rudi spürt es auch nicht. Er ist ja ein netter eleganter Kerl, aber mit einundzwanzig hat er mehr versprochen. Es wird gut für ihn sein, wenn er nach Holland geht. Aber wo werde ich hingehen? Ich möchte fortreisen und tun können was ich will. Wenn Papa nach Amerika durchgeht, begleite ich ihn. Ich bin schon ganz konfus … Der Portier wird mich für wahnsinnig halten, wie ich da auf der Lehne sitze und in die Luft starre. Ich werde mir eine Zigarette anzünden. Wo ist meine Zigarettendose? Oben. Wo nur? Das Veronal habe ich bei der Wäsche. Aber wo habe ich die Dose? Da kommen Cissy und Paul. Ja, sie muß sich endlich umkleiden zum ‚Dinner‘, sonst hätten sie noch im Dunkeln weitergespielt. – Sie sehen mich nicht. Was sagt er ihr denn? Warum lacht sie so blitzdumm? Wär' lustig, ihrem Gatten |39| einen anonymen Brief nach Wien zu schreiben. Wäre ich [zu] so was imstande? Nie. Wer weiß? Jetzt haben sie mich gesehen. Ich nicke ihnen zu. Sie ärgert sich, daß ich so hübsch aussehe. Wie verlegen sie ist.
    „Wie, Else, Sie sind schon fertig zum Diner?“ – Warum sagt sie jetzt Diner und nicht Dinner. Nicht einmal konsequent ist sie. – „Wie Sie sehen, Frau Cissy.“ – „Du siehst wirklich entzückend aus, Else, ich hätte große Lust, dir den Hof zu machen.“ – „Erspar' dir die Mühe, Paul, gib mir lieber eine Zigarette.“ – „Aber mit Wonne.“ – „Dank' schön. Wie ist das Single ausgefallen?“ – „Frau Cissy hat mich dreimal hintereinander geschlagen.“ – „Er war nämlich zerstreut. Wissen Sie übrigens, Else, daß morgen der Kronprinz von Griechenland hier ankommt?“ – Was kümmert mich der Kronprinz von Griechenland? „So, wirklich?“ O Gott, – Dorsday mit Frau Winawer! Sie grüßen. Sie gehen weiter. Ich habe zu höflich zurückgegrüßt. Ja, ganz anders als sonst. O, was bin ich für eine Person. – „Deine Zigarette brennt ja nicht, Else?“ – „Also, gib mir noch einmal Feuer. Danke.“ – „Ihr Schal ist sehr hübsch, Else, zu dem schwarzen Kleid steht er Ihnen fabelhaft. |40| Übrigens muß ich mich jetzt auch umziehen.“ – Sie soll lieber nicht weggehen, ich habe Angst vor Dorsday. – „Und für sieben habe ich mir die Friseurin bestellt, sie ist famos. Im Winter ist sie in Mailand. Also adieu, Else, adieu, Paul.“ – „Küss' die Hand, gnädige Frau.“ „Adieu, Frau Cissy.“ – Fort ist sie. Gut, daß Paul wenigstens da bleibt. „Darf ich mich einen Moment zu dir setzen, Else, oder stör' ich dich in deinen Träumen?“ – „Warum in meinen Träumen? Vielleicht in meinen Wirklichkeiten.“ Das heißt eigentlich gar nichts. Er soll lieber fortgehen. Ich muß ja doch mit Dorsday sprechen. Dort steht er noch immer mit der unglücklichen Frau Winawer, er langweilt sich, ich seh' es ihm an, er möchte zu mir herüberkommen. – „Gibt es denn solche Wirklichkeiten, in denen du nicht gestört sein willst?“ – Was sagt er da? Er soll zum Teufel gehen. Warum lächle ich ihn so kokett an? Ich mein' ihn ja gar nicht. Dorsday schielt herüber. Wo bin ich? Wo bin ich? „Was hast du denn heute, Else?“ – „Was soll ich denn haben?“ – „Du bist geheimnisvoll, dämonisch, verführerisch.“ – „Red' keinen Unsinn, Paul.“ „Man könnte geradezu toll werden, wenn |41| man dich ansieht.“ – Was fällt ihm denn ein? Wie redet er denn zu mir? Hübsch ist er. Der Rauch meiner Zigarette verfängt sich in seinen Haaren. Aber ich kann ihn jetzt nicht brauchen. – „Du siehst so über mich hinweg. Warum denn, Else?“ – Ich antworte gar nichts. Ich kann ihn jetzt nicht brauchen. Ich mache mein unausstehlichstes Gesicht. Nur keine Konversation jetzt. – „Du bist mit deinen Gedanken ganz wo anders.“ – „Das dürfte stimmen.“ Er ist Luft für mich. Merkt Dorsday, daß ich ihn erwarte? Ich sehe nicht hin, aber ich weiß, daß er hersieht. – „Also, leb' wohl, Else.“ – Gott

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