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Fräulein Else - Novelle

Fräulein Else - Novelle

Titel: Fräulein Else - Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ihnen die Rede, Herr von Dorsday. Es ist nämlich ein Brief von Mama.“ – „So.“ – „Eigentlich ein sehr trauriger Brief. Sie kennen ja die Verhältnisse in unserem Haus, Herr von Dorsday.“ – Um Himmels willen, ich habe ja Tränen in der Stimme. Vorwärts, vorwärts, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Gott sei Dank. „Kurz und gut, Herr von Dorsday, wir wären wieder einmal so weit.“ – Jetzt möchte er am liebsten verschwinden. „Es handelt sich – um eine Bagatelle. Wirklich nur um eine Bagatelle, Herr von Dorsday. Und doch, wie Mama schreibt, steht alles auf dem Spiel.“ Ich rede so blöd' daher wie eine Kuh. – „Aber beruhigen Sie sich doch, Fräulein Else.“ – Das hat er nett gesagt. Aber meinen Arm brauchte er darum nicht zu berühren. – „Also, was gibt's |46| denn eigentlich, Fräulein Else? Was steht denn in dem traurigen Brief von Mama!“ – „Herr von Dorsday, der Papa“ – Mir zittern die Knie. „Die Mama schreibt mir, daß der Papa“ – „Aber um Gottes willen, Else, was ist Ihnen denn? Wollen Sie nicht lieber – hier ist eine Bank. Darf ich Ihnen den Mantel umgeben? Es ist etwas kühl.“ – „Danke, Herr von Dorsday, o, es ist nichts, gar nichts besonderes.“ So, da sitze ich nun plötzlich auf der Bank. Wer ist die Dame, die da vorüber kommt? Kenn' ich gar nicht. Wenn ich nur nicht weiterreden müßte. Wie er mich ansieht! Wie konntest du das von mir verlangen, Papa? Das war nicht recht von dir, Papa. Nun ist es einmal geschehen. Ich hätte bis nach dem Diner warten sollen. – „Nun, Fräulein Else?“ – Sein Monokel baumelt. Dumm sieht das aus. Soll ich ihm antworten? Ich muß ja. Also geschwind, damit ich es hinter mir habe. Was kann mir denn passieren? Er ist ein Freund von Papa. „Ach Gott, Herr von Dorsday, Sie sind ja ein alter Freund unseres Hauses.“ Das habe ich sehr gut gesagt. „Und es wird Sie wahrscheinlich nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle, daß Papa sich wieder einmal in einer recht |47| fatalen Situation befindet.“ Wie merkwürdig meine Stimme klingt. Bin das ich, die da redet? Träume ich vielleicht? Ich habe gewiß jetzt auch ein ganz anderes Gesicht als sonst. – „Es wundert mich allerdings nicht übermäßig. Da haben Sie schon recht, liebes Fräulein Else, – wenn ich es auch lebhaft bedauere.“ – Warum sehe ich denn so flehend zu ihm auf? Lächeln, lächeln. Geht schon. – „Ich empfinde für Ihren Papa eine so aufrichtige Freundschaft, für Sie alle.“ – Er soll mich nicht so ansehen, es ist unanständig. Ich will anders zu ihm reden und nicht lächeln. Ich muß mich würdiger benehmen. „Nun, Herr von Dorsday, jetzt hätten Sie Gelegenheit, Ihre Freundschaft für meinen Vater zu beweisen.“ Gott sei Dank, ich habe meine alte Stimme wieder. „Es scheint nämlich, Herr von Dorsday, daß alle unsere Verwandten und Bekannten – die Mehrzahl ist noch nicht in Wien – sonst wäre Mama wohl nicht auf die Idee gekommen. – Neulich habe ich nämlich zufällig in einem Brief an Mama Ihrer Anwesenheit hier in Martino Erwähnung getan – unter anderm natürlich.“ „Ich vermutete gleich, Fräulein Else, daß ich nicht das einzige Thema Ihrer |48| Korrespondenz mit Mama vorstelle.“ – Warum drückt er seine Knie an meine, während er da vor mir steht. Ach, ich lasse es mir gefallen. Was tut's! Wenn man einmal so tief gesunken ist. – „Die Sache verhält sich nämlich so. Doktor Fiala ist es, der diesmal dem Papa besondere Schwierigkeiten zu bereiten scheint.“ – „Ach, Doktor Fiala.“ – Er weiß offenbar auch, was er von diesem Fiala zu halten hat. „Ja, Doktor Fiala. Und die Summe, um die es sich handelt, soll am fünften, das ist übermorgen um zwölf Uhr Mittag, – vielmehr, sie muß in seinen Händen sein, wenn nicht der Baron Höning – ja, denken Sie, der Baron hat Papa zu sich bitten lassen, privat, er liebt ihn nämlich sehr.“ Warum red' ich denn von Höning, das wär' ja gar nicht notwendig gewesen. – „Sie wollen sagen, Else, daß andernfalls eine Verhaftung unausbleiblich wäre?“ – Warum sagt er das so hart? Ich antworte nicht, ich nicke nur. „Ja.“ Nun habe ich doch Ja gesagt. – „Hm, das ist ja – schlimm, das ist ja wirklich sehr – dieser hochbegabte geniale Mensch. – Und um welchen Betrag handelt es sich denn eigentlich, Fräulein Else?“ – Warum lächelt er |49| denn? Er findet es schlimm und er lächelt. Was meint er mit seinem Lächeln? Daß es gleichgültig

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