Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
herauszuholen und dann haben sie Bennys Papa den Finger wieder
angeklebt, aber nicht mit dem Klebestift, der hält ja nicht! Mit DER
KLEBEPISTOLE. In Echt mamma !“, ereiferte sich meine
Kleine.
Ich musste
lachen, diese Kinder haben einfach verdammt viel Fantasie!
„Sara, ich
schwöre, im Englischen Garten gibt es keine Dinosaurier. Glaub mir, ich muss es
wissen, ich habe es schließlich studiert!“, versuchte ich sie mit akademischer
Argumentation zu überzeugen (die Tatsache, dass Dinosaurier überhaupt nicht
mehr existieren, hat sie nie akzeptiert). Scheinbar hatte mein
Beschwichtigungsversuch funktioniert, denn Sara verfiel in grüblerisches
Schweigen. Ich musste dringend mit Bennys Mama reden. Letztens hatte Benny im
Kindergarten erzählt, dass an manchen Tagen Tausende von Fröschen aus dem
Himmel fallen würden. Seitdem wollte Sara nur mit Regenschirm aus dem Haus,
selbst bei strahlendem Sonnenschein.
Zu Hause
angekommen, machte ich mich daran, leere Flaschen und Gläser aus dem Wohnzimmer
zu entfernen. Nach dem Mädel-Abend war ich zu erschöpft und angetrunken dafür
gewesen und morgens herrscht bei uns zu Hause Ausnahmezustand.
„Mamma, was
ist das?“, fragte Sara, die sich an den Tisch gesetzt hatte.
„Was denn?“,
antwortete ich ohne aufzuschauen.
„Das hier,
guck mal! Sieht lustig aus. Sieht ein bisschen aus wie eine Eistüte mit zwei
Kugeln, aber falsch rum!“.
Böses ahnend
eilte ich zum Tisch und starrte. Die Abbildung eines männlichen Glieds immenserDimensionen,
wahrscheinlich Überbleibsel irgendeiner Schildkröten- oder Altes Ross-Stellung,
starrte einäugig zurück.
„Mamma, darf
ich so ein Eis haben?“
„NEIN! Ich
meine, später, jetzt muss ich mal den Tisch putzen“.
Während
meiner rabiaten Säuberungsversuche dachte ich an den gestrigen Abend, an meine
italienischen Freundinnen und an die Menge Klischees, mit der wir jeden Tag
konfrontiert wurden. Darüber hatten wir gestern auch geredet. Natürlich
entsprechen einige dieser Klischees über Italien der Realität, das geben wir widerspruchslos
zu, aber vieles ist einfach übertrieben, an den Haaren herbeigezogen oder stammt aus längst
vergangenen Zeiten. Bei all den Vorurteilen, und auch das müssen wir zugeben,
begegnen die Deutschen uns Italienern selten feindselig. Nach vielen Jahren in
diesem Land weiß ich, dass die meisten Deutschen bei der bloßen Erwähnung
meines Heimatlandes feuchte Augen und ein sehnsuchtsvolles Lächeln bekommen.
Und genau in dieser Sehnsucht - so wurde mir in dem Moment klar - lag ein großes wirtschaftliches
Potenzial. Warum nicht aus den zahlreichen Klischees über Italien Kapital
schlagen, anstatt sich immer wieder über sie zu ärgern?
Also: Die
Deutschen wollen Italien? Schön, von mir aus sollen sie es bekommen, wenn nötig
tausendfach! Eine Gruppe laut schnatternder, dunkelhaariger und blendend
aussehender Italienerinnen für eine Party? Kein Problem, das kann ich
organisieren! Eine echte italienische Mamma für Kochkurse auf Italienisch?
Hätte ich ebenfalls im Angebot! Eine Hochzeit mit italienischem Flair aufpeppen?
Nichts leichter als das!
Und so war
die Idee für meine neue berufliche Zukunft entstanden und die hatte ich
wahrscheinlich dem Alkoholdunst aus meinem Kanister zu verdanken: Die erste
Agentur Deutschlands für italienische Klischees war geboren!
Und das
Beste war: Meine Freundinnen Ilaria , Simona und
Michela waren mit von der Partie, alle waren im Klischee-Fieber!
Da wir alle
seit geraumer Zeit in Deutschland lebten, hatten wir gelernt, mit Bedacht und mit möglichst großem
Sicherheitspuffer vorzugehen. Unsere üblichen beruflichen Tätigkeiten wollten
wir vorerst nicht aufgeben, sondern nur etwas einschränken, denn wir wollten
erst einmal sehen, ob die Idee wirklich funktionierte. Im Fall von Ilaria war es überhaupt kein Problem, denn sie hatte sowieso
nur Gelegenheitsjobs und lebte sonst nur in den Tag hinein. Ihre große deutsche
Liebe, für die sie aus Genova nach München gezogen war, hatte Ilaria für eine südamerikanische Schönheit verlassen, denn,
so behauptete damals Tobias, „Südamerikanerinnen wären deutlich rassiger als
gewöhnliche Italienerinnen“, ganz so als würde der Depp über Hunde sprechen. Ilaria , die im Grunde eine Kämpfernatur war, hatte
beschlossen, in Deutschland zu bleiben und erst einmal einen Zumba -Kurs zu belegen,
um den Geheimnissen der Latinos auf die Spur zu
kommen. Und in jenem Kurs hatte ich Ilaria vor
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