Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Mellina
Vom Netzwerk:
Sorgen. Überhaupt kam mir das ganze Unterfangen vollkommen
schwachsinnig und hirnrissig vor. Was hatte ich mir dabei gedacht? Immerhin
hatte ich die letzten Tage darauf verzichtet, irgendein Mitglied meiner Familie
anzurufen, was meine Selbstzweifel nur verstärkt hätte.
    Als ich die
letzte Kurve vor Ginos Lokal fuhr, setzte mein Herz für einen Augenblick aus,
um dann mit Vollgas wieder zu schlagen zu beginnen. Ginos Bar war schon von
weitem zu sehen. Das Schild mit dem T, seitlich an die Wand angebracht, und die
gestreifte Markise funkelten in alt-neuem Glanz. Ja, es sah aus wie in Italien.
Vor dem Lokal parkten etliche Vespas und eine
unglaubliche Traube Menschen stand mit Gläsern, Flaschen, Chipstüten und kleinen Häppchen davor. Es waren ausnahmslos Italiener und sie unterhielten
sich, gaben sich Küsschen, lachten und telefonierten laut mit ihren Handys;
meistens alles gleichzeitig. Die Männer trugen schöne, taillierte Hemden, die
bis zum Brustbein offen waren, lässige Jeans und coole Sneakers. Die Frauen
trugen Kleider, Stilettos und Designer-Taschen. Sie
sahen alle wunderschön aus. Als wir unsere Vespa parkten und uns an ihnen vorbeidrängelten, umnach drinnen zu gelangen, pfiffen die meisten Männer und stießen sich gegenseitig
mit dem Ellenbogen in die Rippen. Wenn wir uns Sorgen gemacht hatten, dass der
Laden leer bleiben würde, so hatten wir uns gründlich getäuscht: Ginos Bar platzte
aus allen Nähten.
    „Gino!“,
schrie ich durch die Menge hindurch, „Was ist hier los?“
    Gino schaute
mich von seinen aperitivo -Häppchen
freudestrahlend an. Zur Feier des Tages hatte er sich ganz in schwarz angezogen
und trug, wie sein berühmter verstorbener Doppelgänger, eine weiße Schärpe um
den Hals. Einzig durch die bodenlange, ebenfalls weiße Schürze war er als Gino
erkennbar.
    „Laura, hai visto ? Pieno cosí [45] “,
sagte er und vereinte alle Finger einer Hand, um zu verdeutlichen, wie voll es
war. [46]
    Ich schaute
mich um. Offensichtlich hatte sich die Aktion durch die Mund-zu-Mund-Propaganda
verselbstständigt und nun trafen sich alle in München lebende Italiener in
Ginos Lokal, um zu quatschen und kostenlosen Aperitivo zu konsumieren.
    „ Vuoi ? [47] “,
fragte mich Gino und hielt mir eine verführerisch duftende Oliven- Focaccina unter die Nase.
    „ No , grazie . Gino, senti , es sind zu viele Statisten. Für zahlende Kunden gibt
es keinen Platz!“.
    „Du hast
Recht“, hörte ich einen Mann zu meiner Rechten. Er sprach perfekt Deutsch, sah
jedoch ziemlich italienisch aus und passte sehr gut zu der anwesenden Menge.
    „Ach ja?!“,
schaute ich ihn erstaunt an.
    „Ja, lass
mich mal machen!“, sagte er und entfernte sich in die Menge.
    „ Ilaria , chi é quello ? [48] “,
fragte ich überflüssigerweise, denn Ilaria stand in
fünf Meter Entfernung und knutschte mit Emanuele. Die
anderen zwei Jungs, Stefano und Gianluca, hatte ich in der Menge ebenfalls kurz
gesehen, sie   schienen sich jedoch
vor lauter Spaß nicht an mich zu erinnern.
    Der Einsatz
des unbekannten Fremden zeigte Wirkung, denn binnen kurzem leerte sich das
Lokal merklich und ich konnte es endlich in Augenschein nehmen.
    Michela
hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Die Tische und der Tresen waren zwar
erhalten geblieben, wirkten jedoch durch eine zarte weiße Lasur deutlich
weniger wuchtig. Die Stühle mit Polsterung waren verschwunden und an ihre
Stelle waren kleine Drehsessel mit weißem Lehnen und Chromständer hingestellt
worden. Die Wände waren zartrosa gestrichen und hatten die für die 80er-Jahre typische
Struktur des stucco veneziano [49] . Alle Scheußlichkeiten, die Gino im Laufe der Jahre gehortet hatte, waren
geputzt und poliert und auf einen modernen, beleuchteten Wandboard hinter einer
Glasscheibe platziert worden. Schließlich waren sie Raritäten aus alten Zeiten
und hatten einen Ehrenplatz verdient. So sahen sie toll aus!
    Ein für
Italien typischer Ständer für kleine Chipstüten , eine Eistruhe mit der Schrift „ Algida “
und ein Flipper-Spielgerät waren ebenfalls geschickt platziert worden und
strahlten den Flair einer Bar in Rimini oder Riccione aus. Das Nostalgische stand allerdings nicht alleine da, sondern bildete einen
interessanten Kontrast mit den supermodernen Elementen wie den Chromleuchten
und den grazilen weißen Drehhockern am Tresen. Im Schaufenster waren die
Gardine und die vertrocknete Pflanze verschwunden. Einzig die schöne Schrift
„Bar da Gino“ in typisch

Weitere Kostenlose Bücher