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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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kein Ideal, nur Schimmer und verworrene Gestalten, die sich wie fast unkenntliche Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies Gemälde sähet, würdet Ihr Euch nicht mit mächtiger Empfindung in den Gegenstand hineinsehnen? Würde er die übrige Kunst und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eurem Gedächtnisse hinwegrücken, und was wollt Ihr mehr? Diese Stimmung würde dann so wie jetzt Euer ganzes Inneres durchaus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wünschen übrig, und doch wäre es nichts weiter, als ein künstliches, fast tändelndes Spiel der Farben. Und doch ist es Handlung, Ideal, Vollendung, weil es das im höchsten Sinne ist, was es sein kann, und so kann jeder Künstler an sich der Trefflichste sein, wenn er sich kennt und nichts Fremdartiges in sich hineinnimmt. Wahrlich! es ist, als hätte die alte Welt sich mit ihren Wundern aufgetan, als ständen dort die fabelhaften Zyklopen vor uns, die für Mars oder Achilles die Waffen schmieden. Die ganze Götterwelt kömmt dabei in mein Gedächtnis zurück: ich sehe nicht nur, was vor mir ist, sondern die schönsten Erinnerungen entwickeln sich im Innern meiner Seele, alles wird lebendig und wach, was seit lange schlief. Nein, mein Freund, ich bin innigst überzeugt, die Kunst ist wie die Natur, sie hat mehr als eine Schönheit.«
    Bolz war still, beide Künstler ergötzten sich lange an dem Anblick, dann suchten sie den Rückweg nach der Stadt. Der Mond war indes heraufgekommen und glänzte ihnen im vollen Lichte entgegen, durch die Hohlwege, die sie durchkreuzten, über die feuchte Wiese herüber, von den Bergen in zauberischen Widerscheinen. Die ganze Gegend war in eine Masse verschmolzen, und doch waren die verschiedenen Gründe leicht gesondert, mehr angedeutet, als ausgezeichnet; keine Wolke war am Himmel, es war, als wenn sich ein Meer mit unendlichen goldenen Glanzwogen sanft über Wiese und Wald ausströmte und herüber nach den Felsen bewegte.
    »Könnten wir nur die Natur genau nachahmen«, sagte Sternbald, »oder begleitete uns diese Stimmung nur so lange, als wir an einem Werke arbeiten, um in frischer Kraft, in voller Neuheit das hinzustellen, was wir jetzt empfinden, damit auch andre so davon ergriffen würden, wahrlich, wir könnten oft Handlung und Komposition entbehren, und doch eine große, herrliche Wirkung hervorbringen!«
    Bolz wußte nicht recht, was er antworten sollte, er mochte nicht gern nachgeben, und doch konnte er Franz jetzt nicht widerlegen, sie stritten hin und her, und verwunderten sich endlich, daß sie die Stadt nicht erscheinen sahen. Bolz suchte nach dem Wege, und ward endlich inne, daß er sich verirrt habe. Beide Wanderer wurden verdrüßlich, denn sie waren müde und sehnten sich nach dem Abendessen, aber es schoben sich immer mehr Gebüsche zwischen sie, immer neue Hügel, und der blendende Schimmer des Mondes erlaubte ihnen keine Aussicht. Der Streit über die Kunst hörte auf, sie dachten nur darauf, wie sie sich wieder zurechtfinden wollten. Bolz sagte: »Seht, mein Freund, über die Kunst haben wir die Natur vernachlässigt; wollt Ihr Euch noch so in eine Gegend hineinsehnen, aus der wir uns so gern wieder herauswickeln möchten? Jetzt gäbt Ihr alle Ideale und Kunstwörter für eine gute Ruhestelle hin.«
    »Wie Ihr auch sprecht!« sagte Sternbald, »davon kann ja gar nicht die Rede sein. Wir haben uns durch Eure Schuld verirrt, und es steht Euch nicht zu, nun noch zu spotten.«
    Sie setzten sich ermüdet auf den Stumpf eines abgehauenen Baumes nieder. Franz sagte: »Wir werden hier wohl übernachten müssen, denn ich sehe noch keinen möglichen Ausweg.«
    »Gut denn!« rief Bolz aus, »wenn es die Not so haben will, so wollen wir uns auch in die Not finden. Wir wollen sprechen, Lieder singen, und schlafen, so gut es sich tun läßt. Mit dem Aufgange der Sonne sind wir dann wieder munter, und kehren zur Stadt zurück. Fanget Ihr an zu singen.«
    Sternbald sagte: »Da wir nichts Besseres zu tun wissen, will ich Euch ein Lied von der Einsamkeit singen, es schickt sich gut zu unserm Zustande.
    Über mir das hellgestirnte Himmelsdach,
Alle Menschen dem Schlaf ergeben,
Ruhend von dem mühevollen Leben,
Ich allein, allein im Hause wach.
        Trübe brennt das Licht herunter;
Soll ich aus dem Fenster schauen,
'nüber nach den fernen Auen?
Meine Augen bleiben munter.
        Soll ich mich im Strahl ergehen
Und des Mondes Aufgang suchen?
Sieh, er flimmert durch die Buchen,
Weiden am Bach im Golde stehen.
        Ist es nicht, als

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