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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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auch zu Bette, der Hund ward nach seiner Behausung auf den kleinen Hof gebracht, Sternbald blieb bei den Schlafenden allein.
    Der Mond sah durch das Fenster, in der Einsamkeit fiel des Bildhauers Gesicht dem Wachenden auf, es war eine Physiognomie, die Heftigkeit und Ungestüm ausdrückte. Franz begriff es nicht, wie er seinen anfänglichen Widerwillen gegen diesen Menschen so habe überwinden können, daß er jetzt mit ihm umgehe, daß er sich ihm sogar vertraue.
    Bolz schien unruhig zu schlafen, er warf sich oft umher, ein Traum ängstigte ihn. Franz vergaß beinahe, wo er war, denn alles umher erhielt eine sonderbare Bedeutung. Seine Phantasie ward erhitzt, und es währte nicht lange, so glaubte er sich unter Räubern zu befinden, die es auf sein Leben angesehn hätten, jedes Wort des Kohlenbrenners, dessen er sich nur erinnerte, war ihm verdächtig, er erwartete es ängstlich, wie er mit seinen Spießgesellen wieder aus der Tür herauskommen würde, um sie im Schlafe umzubringen und zu plündern. Über diese Betrachtungen schlief er ein, aber ein fürchterlicher Traum ängstigte ihn noch mehr, er sah die entsetzlichsten Gestalten, die seltsamsten Wunder, er erwachte unter drückenden Beklemmungen.
    Am Himmel sammelten sich Wolken, auf die die Strahlen des Mondes fielen, die Bäume vor der Hütte bewegten sich. Um sich zu zerstreuen, schrieb er folgendes in seiner Schreibtafel nieder:
    Die Phantasie              
             
    Wer ist dort der alte Mann,
In einer Ecke festgebunden,
Daß er sich nicht rührt und regt?
Vernunft hält über ihn Wache,
Sieht und erkundet jede Miene.
Der Alte ist verdrüßlich,
Um ihn in tausend Falten
Ein weiter Mantel geschlagen.
        Es ist der launige Phantasus,
Ein wunderlicher Alter,
Folgt stets seiner närrischen Laune,
Sie haben ihn jetzt festgebunden,
Daß er nur seine Possen läßt,
Vernunft im Denken nicht stört,
Den armen Menschen nicht irrt,
Daß er sein Tagsgeschäft
In Ruhe vollbringe,
Mit dem Nachbar verständig spreche
Und nicht wie ein Tor erscheine.
Denn der Alte hat nie was Kluges im Sinn,
Immer tändelt er mit dem Spielzeug
Und kramt es aus, und lärmt damit
Sowie nur keiner auf ihn sieht und achtet.
        Der alte Mann schweigt und runzelt die Stirn,
Als wenn er die Rede ungern vernähme,
Schilt gern alles langweilig,
Was in seinen Kram nicht taugt.
Der Mensch handelt, denkt, die Pflicht
Wird indes treu von ihm getan;
Fällt in die Augen das Abendrot hinein,
Stehn Schlummer und Schlaf aus ihrem Winkel auf
Da sie den Schimmer merken.
Vernunft muß ruhn und wird zu Bett gebracht,
Schlummer singt ihr ein Wiegenlied:
Schlaf ruhig, mein Kind, morgen ist auch noch ein Tag!
Mußt nicht alles auf einmal denken,
Bist unermüdet und das ist schön,
Wirst auch immer weiter kommen,
Wirst deinem lieben Menschen Ehre bringen,
Er schätzt dich auch über alles,
Schlaf ruhig, schlaf ein. –
»Wo ist meine Vernunft geblieben?« sagt der Mensch,
»Geh Erinnrung, und such sie auf.«
Erinnrung geht und trifft sie schlafend,
Gefällt ihr die Ruhe auch,
Nickt über der Gefährtin ein.
»Nun werden sie gewiß dem Alten die Hände frei machen«,
Denkt der Mensch, und fürchtet sich schon.
Da kömmt der Schlaf zum Alten geschlichen,
Und sagt: »Mein Bester, du mußt erlahmen,
Wenn dir die Glieder nicht aufgelöset werden,
Pflicht, Vernunft und Verstand bringen dich ganz herunter,
Und du bist gutwillig, wie ein Kind.« –
Indem macht der Schlaf ihm schon die Hände los,
Und der Alte schmunzelt: »Sie haben mir viel zu danken,
Mühsam hab ich sie erzogen,
Aber nun verachten sie mich alten Mann,
Meinen ich würde kindisch,
Sei zu gar nichts zu gebrauchen.
Du, mein Liebster, nimmst dich mein noch an,
Wir beide bleiben immer gute Kameraden.«
Der Alte steht auf und ist der Banden frei,
Er schüttelt sich vor Freude:
Er breitet den weiten Mantel aus,
Und aus allen Falten stürzen wunderbare Sachen
Die er mit Wohlgefallen ansieht.
Er kehrt den Mantel um und spreitet ihn weit umher,
Eine bunte Tapete ist die untre Seite.
Nun hantiert Phantasus in seinem Zelte
Und weiß sich vor Freuden nicht zu lassen.
Aus Glas und Kristallen baut er Schlösser,
Läßt oben aus den Zinnen Zwerge kucken,
Die mit dem großen Kopfe wackeln.
Unten gehn Fontänen im Garten spazieren,
Aus Röhren sprudeln Blumen in die Luft,
Dazu singt der Alte ein seltsam Lied
Und klimpert mit aller Gewalt auf der Harfe.
Der Mensch sieht seinen Spielen zu
Und freut sich, vergißt, daß Vernunft
Ihn vor allen

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