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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Wesen herrlich macht.
Spricht: »Fahre fort, mein lieber Alter.«
Und der Alte läßt sich nicht lange bitten,
Schreiten Geistergestalten heran,
Zieht die kleinen Marionetten an Fäden
Und läßt sie aus der Ferne größer scheinen.
Tummeln sich Reiter und Fußvolk,
Hängen Engel in Wolken oben,
Abendröten und Mondschein gehn durcheinander.
Verschämte Schönen sitzen in Lauben,
Die Wangen rot, der Busen weiß,
Das Gewand aus blinkenden Strahlen gewebt.
Ein Heer von Kobolden lärmt und tanzt,
Alte Helden kommen von Troja wieder,
Achilles, der weise Nestor, versammeln sich zum Spiel
Und entzweien sich wie die Knaben. –
Ja, der Alte hat daran noch nicht genug,
Er spricht und singt: »Laß deine Taten fahren,
Dein Streben, Mensch, deine Grübelein,
Sieh, ich will dir goldne Kegel schenken,
Ein ganzes Spiel, und silberne Kugeln dazu,
Männerchen, die von selbst immer auf den Beinen stehn,
Warum willst du dich des Lebens nicht freun?
Dann bleiben wir beisammen,
Vertreiben mit Gespräch die Zeit,
Ich lehre dich tausend Dinge,
Von denen du noch nichts weißt.« –
Das blinkende Spielwerk sticht dem Menschen in die Augen,
Er reckt die Hände gierig aus!
Indem erwacht mit dem Morgen die Vernunft,
Reibt die Augen und gähnt und dehnt sich:
»Wo ist mein lieber Mensch?
Ist er zu neuen Taten gestärkt?« so ruft sie.
Der Alte hört die Stimme und fängt an zu zittern,
Der Mensch schämt sich, läßt Kegel und Kugel fallen,
Vernunft tritt ins Gemach.
»Ist der alte Wirrwarr schon wieder los geworden?«
Ruft Vernunft aus, »lässest du dich immer wieder locken
Von dem kindschen Greise, der selber nicht weiß
Was er beginnt?« –
Der Alte fängt an zu weinen,
Der Mantel wieder umgekehrt
Ihm um die Schultern gehängt,
Arm' und Beine festgebunden,
Sitzt wieder grämlich da.
Sein Spielzeug eingepackt,
Ihm alles wieder ins Kleid gesteckt
Und Vernunft macht 'ne drohende Miene.
Der Mensch muß an die Geschäfte gehn,
Sieht den Alten nur von der Seite an
Und zuckt die Schultern über ihn.
»Warum verführt ihr mir den lieben Menschen!«
Grämelt der alte Phantasus,
»Ihr werdet ihn matt und tot noch machen,
Wird vor der Zeit kindisch werden,
Sein Leben nicht genießen.
Sein bester Freund sitzt hier gebunden,
Der es gut mit ihm meint.
Er verzehrt sich und möcht es gern mit mir halten,
Aber ihr Überklugen
Habt ihm meinen Umgang verleidet
Und wißt nicht, was ihr mit ihm wollt.
Schlaf ist weg und keiner steht mir bei.«
    Der Morgen brach indessen an, die übrigen im Hause wurden munter, und Franz las dem Bildhauer seine Verse vor, der darüber lachte und sagte: »Auch dies Gedicht, mein Freund, rührt vom Phantasus her, man sieht es ihm wohl an, daß es in der Nacht geschrieben ist; dieser Mann hat, wie es scheint, Spott und Ernst gleich lieb.«
    Das dunkle Gemach wurde erhellt, der Köhler trat mit seiner Frau herein. Franz lächelte über seine nächtliche Einbildung, er sah nun die Tür, die er immer gefürchtet hatte, deutlich vor sich stehn, nichts Furchtbares war an ihr sichtbar. Die Gesellschaft frühstückte, wobei der muntere Köhler noch allerhand erzählte. Er sagte, daß in einigen Tagen eine Nonne im benachbarten Kloster ihr Gelübde ablegen würde, und daß sich dann zu dieser Feierlichkeit alle Leute aus der umliegenden Gegend versammelten. Er beschrieb die Zeremonien, die dabei vorfielen, er freute sich auf das Fest, Sternbald schied von ihm und dem Pilgrim, und ging mit dem Bildhauer zur Stadt zurück.
    Sternbald ließ sich im Kloster melden, er ward der Äbtissin vorgestellt, er betrachtete das alte Gemälde, das er auffrischen sollte. Es war die Geschichte der heiligen Genoveva, wie sie mit ihrem Sohne unter einsamen Felsen in der Wildnis sitzt, und von freundlichen, liebkosenden Tieren umgeben ist. Das Bild schien alt, er konnte nicht das Zeichen eines ihm bekannten Künstlers entdecken. Denksprüche gingen aus dem Munde der Heiligen, ihres Sohnes und der Tiere, die Komposition war einfach und ohne Künstlichkeit, das Gemälde sollte nichts als den Gegenstand auf die einfältigste Weise ausdrücken. Sternbald war willens, die Buchstaben zu verlöschen und den Ausdruck der Figur zu erhöhen, aber die Äbtissin sagte: »Nein, Herr Maler, Ihr müßt das Bild im ganzen so lassen, wie es ist, und um alles ja die Worte stehenlassen. Ich mag es durchaus nicht, wenn ein Gemälde zu zierlich ist.«
    Franz machte ihr deutlich, wie diese weißen Zettel alle Täuschung aufhöben und unnatürlich wären, ja wie sie

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