Franz Sternbalds Wanderungen
die Stadt streifte, glaubte er einmal in der Ferne den Bildhauer Bolz zu bemerken, aber die Person, die er dafür hielt, verlor sich wieder aus den Augen. Franz ergötzte sich, wieder in einem Gewühl von unbekannten Menschen herumzuirren. Es war Jahrmarkt, und aus den benachbarten kleinen Städten und Dörfern hatten sich Menschen aller Art versammelt, um hier zu verkaufen und einzukaufen. Sternbald freute sich an der allgemeinen Fröhlichkeit, die alle Gesichter beherrschte, die so viele verworrene Töne laut durcheinander erregte.
Er stellte sich etwas abseits, und sah nun die Ankommenden, oder die schon mit ihren eingekauften Waren zurückgingen. Alle Fenster am Markte waren mit Menschen angefüllt, die auf das verworrene Getümmel heruntersahen. Franz sagte zu sich selbst: »Welch ein schönes Gemälde! und wie wäre es möglich, es darzustellen? Welche angenehme Unordnung, die sich aber auf keinem Bilde nachahmen läßt! Dieser ewige Wechsel der Gestalten, dies mannigfaltige, sich durchkreuzende Interesse, daß diese Figuren nie auch nur auf einen Augenblick in Stillstand geraten, ist es gerade, was es so wunderbar schön macht. Alle Arten von Kleidungen und Farben verirren sich durcheinander, alle Geschlechter und Alter, Menschen, dicht zusammengedrängt, von denen keiner am Nächststehenden Teil nimmt, sondern nur für sich selber sorgt. Jeder sucht und holt das Gut, das er sich wünscht, mit lachendem Mute, als wenn die Götter plötzlich ein großes Füllhorn auf den Boden ausgeschüttet hätten, und emsig nun diese Tausende herausraffen, was ein jeder bedarf.«
Leute zogen mit Bildern umher, die sie erklärten, und zu denen sich eine Menge Volks versammelte. Es waren schlechte, grobe Figuren auf Leinwand gemalt. Das eine war die Geschichte eines Handwerkers, der auf seiner Wanderschaft den Seeräubern in die Hände geraten war, und in Algier schmähliche Sklavendienste hatte tun müssen. Er war dargestellt, wie er mit andern Christen im Garten den Pflug ziehen mußte, und sein Aufseher ihn mit einer fürchterlichen Geißel dazu antrieb. Eine zweite Vorstellung war das Bild eines seltsamlichen Ungeheuers, von dem der Erklärer behauptete, daß es jüngst in der mittelländischen See gefangen sei. Es hatte einen Menschenkopf und einen Panzer auf der Brust, seine Füße waren wie Hände gebildet und große Floßfedern hingen herunter, hinten war es Pferd.
Alles Volk war erstaunt. »Dies ist es«, sagte Franz zu sich, »was die Menge will, was einem jeden gefällt. Ein wunderbares Schicksal, wovon ein jeder glaubt, es hätte auch ihn ergreifen können, weil es einen Menschen trifft, dessen Stand der seinige ist. Oder eine lächerliche Unmöglichkeit. Seht, dies muß der Künstler erfüllen, diese abgeschmackten Neigungen muß er befriedigen, wenn er gefallen will.«
Ein Arzt hatte auf der andern Seite des Marktes sein Gerüst aufgeschlagen, und bot mit kreischender Stimme seine Arzneien aus. Er erzählte die ungeheuersten Wunder, die er vermittelst seiner Medikamente verrichtet hatte. Auch er hatte großen Zulauf, die Leute verwunderten sich und kauften.
Er verließ das Gewühl, und ging vors Tor, um recht lebhaft die ruhige Einsamkeit gegen das lärmende Geräusch zu empfinden. Als er unter den Bäumen auf und ab ging, begegnete ihm wirklich Bolz, der Bildhauer. Jener erkannte ihn sogleich, sie gingen miteinander und erzählten sich ihre Begebenheiten. Franz sagte: »Ich hätte niemals geglaubt, daß Ihr imstande wäret, einen Mann zu verletzen, der Euch für seinen Freund hielt. Wie könnt Ihr die Tat entschuldigen?«
»Oh, junger Mann«, rief Augustin aus, »Ihr seid entweder noch niemals beleidigt, oder habt sehr wenig Galle in Euch. Roderigo ruhte mit seinen Schmähworten nicht eher, bis ich ihm den Stoß versetzt hatte, es war seine eigene Schuld. Er reizte mich so lange, bis ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.«
Franz, der keinen Streit anfangen wollte, ließ die Entschuldigung gelten, und Bolz fragte ihn: wie lange er sich in der Stadt aufzuhalten gedächte? »Ich will morgen abreisen«, antwortete Sternbald. »Ich rate Euch, etwas zu bleiben«, sagte der Bildhauer, »und wenn Ihr denn geneigt seid, kann ich Euch eine einträgliche Arbeit nachweisen. Hier vor der Stadt liegt ein Nonnenkloster, in dem Ihr, wenn Ihr wollt, ein Gemälde mit Öl auf der Wand erneuern könnt. Man hat schon nach einem ungeschickten Maler senden wollen, ich will Euch lieber dazu vorschlagen.«
Franz nahm den
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