Franz Sternbalds Wanderungen
sollte. Franz hatte nun keinen Widerwillen mehr gegen das frohe aufgeregte Menschengetümmel, er suchte die Freude auf, und war darum auch bei dem Feste zugegen. Er erinnerte sich einiger guten Kupferstiche von Albrecht Dürer, auf denen tanzende Bauern dargestellt waren, und die ihm sonst überaus gefallen hatten; er suchte nun beim Klange der Flöten diese possierlichen Gestalten wieder, und fand sie auch wirklich; er hatte hier Gelegenheit, zu bemerken, welche Natur Albrecht auch in diese Zeichnungen zu legen gewußt hatte.
Der Tag des Festes war ein schöner warmer Tag, an dem alle Stürme und rauhen Winde von freundlichen Engeln zurückgehalten wurden. Die Töne der Flöten und Hörner gingen wie eine liebliche Schar ruhig und ungestört durch die sanfte Luft hin. Die Freude auf der Wiese war allgemein, hier sah man tanzende Paare, dort scherzte und neckte sich ein junger Bauer mit seiner Liebsten, dort schwatzten die Alten und erinnerten sich ihrer Jugend. Die Gebüsche standen still und waren frisch grün und überaus anmutig, in der Ferne lagen krause Hügel mit Obstbäumen bekränzt. »Wie«, sagte Franz zu sich, »sucht ihr Schüler und Meister immer nach Gemälden, und wißt niemals recht, wo ihr sie suchen müßt? Warum fällt es keinem ein, sich mit seiner Staffelei unter einen solchen unbefangenen Haufen niederzusetzen, und uns auch einmal diese Natur ganz wie sie ist darzustellen? Keine abgerissene Fragmente aus der alten Historie und Göttergeschichte, die so oft weder Schmerz noch Freude in uns erregen, keine kalte Figuren aus der Legende, die uns oft gar nicht ansprechen, weil der Maler die heiligen Männer nicht selber vor sich sah, und er ohne Begeisterung arbeitete. Diese Gestalten, wörtlich so und ohne Abänderung niedergeschrieben, damit wir lernen, welche Schöne, welche Erquickung in der einfachen Natürlichkeit verborgen liegt. Warum schweift ihr immer in der weiten Ferne, und in einer staubbedeckten unkenntlichen Vorzeit herum, uns zu ergötzen? Ist die Erde, wie sie jetzt ist, keiner Darstellung mehr wert, und könnt ihr die Vorwelt malen, wenn ihr gleich noch so sehr wollt? Und wenn ihr größere Geister nun auch hohe Ehrfurcht in unser Herz hineinbannt, wenn eure Werke uns mit ernster feierlicher Stimme anreden: warum sollen nicht auch einmal die Strahlen einer weltlichen Freude aus einem Gemälde herausbrechen? Warum soll ich in einer freien herzlichen Stunde nicht auch einmal Bäuerlein, und ihre Spiele und Ergötzungen lieben? Dort werden wir beim Anblick der Bilder älter und klüger, hier kindischer und fröhlicher.«
So stritt Franz mit sich selber, und unterhielt seinen Geist mit seiner Kunst, wenn er gleich nicht arbeitete. Es konnte ihm überhaupt nicht leicht etwas begegnen, wobei er nicht an Malereien gedacht hätte, denn es war schon frühe Gewohnheit, seine Beschäftigung in allem was er in der Natur oder unter Menschen sah und hörte, wiederzufinden. Alles gab ihm Antworten zurück, nirgend traf er eine Lücke, in der Einsamkeit sah ihm die Kunst zu, und in der Gesellschaft saß sie neben ihm, und er führte mit ihr stille Gespräche; darüber kam es aber auch, daß er so manches in der Welt gar nicht bemerkte, was weit einfältigern Gemütern ganz geläufig war, weshalb es auch geschah, daß ihn die beschränkten Leute leicht für unverständig oder albern hielten. Dafür bemerkte er aber manches, das jedem andern entging, und die Wahrheit und Feinheit seines Witzes setzte dann die Menschen oft in Erstaunen. So war Franz Sternbald um diese Zeit, ich weiß nicht ob ich sagen soll ein erwachsenes Kind, oder ein kindischer Erwachsener. O wohl dir, daß dir das Auge noch verhüllt ist über die Torheit und Armseligkeit der Menschen, daß du dir und deiner Liebe dich mit aller Unbefangenheit ergeben kannst! Seliges Leben, wenn der Mensch nur noch in sich lebt, und die übrigen umher nicht in sein Inneres einzudringen vermögen und ihn dadurch beherrschen. Es kommt bei den meisten eine Zeit, wo der Winter beständig in ihren Sommer hineinscheint, wo sie sich selbst vergessen, um es nur den andern Menschen recht zu machen, wo sie ihrem Geiste keine Opfer mehr bringen, sondern ihr eigenes Herz als Opfer auf den Altar der weltlichen Eitelkeiten niederlegen.
Als es Abend geworden war und der rote Schimmer bebend an den Gebüschen hing, war seine Empfindung sanfter und schöner geworden. Er wiederholte den Brief Dürers in seinen Gedanken, und zeichnete sich dabei die schönen
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