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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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in den Laderaum verfrachtet wird.“
    Sie wuchtete ihr Gepäck auf die winzige Back der Kammer Nummer hundertvier und machte sich halbherzig ans Schrankeinräumen.
    „Hallöchen“, tönte es Sekunden später. „Du packst aus? Soll das etwa genau das heißen, was ich vermute? Dass wir Nachbarn werden? He, Lütte, das finde ich megageil! Wird garantiert lustig. Ich wohne gleich gegenüber. Genau da.“ Simone wedelte aufgeregt mit der Hand und deutete auf die Kammer am anderen Ende des Vorraumes. „Und noch was Neues: Den Koch, stell dir das mal vor, ausgerechnet unser Sterne-Köchlein – und das ist er wirklich – haben sie hier herunter verbannt. Diese Ignoranten! Den wichtigsten Mann an Bord dermaßen zu brüskieren. Und das lässt der sich doch allen Ernstes widerspruchslos gefallen! Manchmal könnte ich ihn treten, um ihm auf die Sprünge zu helfen, echt wahr. Solch einen gutmütigen Kerl findest du, weiß der Kuckuck, kein zweites Mal. Und bloß wegen der aufgeblasenen Knilche von der Reederei. Als wären wir allein zu deren Belustigung da! Ich muss weiter. Bis später, Kleine. Man sieht sich.“
    Susannes Laune besserte sich schlagartig. War das ein Wirbelwind! Diese Frau konnte offenbar nichts umhauen. Ja, jetzt war sogar sie davon überzeugt, dass, was immer auch Simone Schill damit gemeint haben mochte, „es“ bestimmt lustig werden würde.
     
    Nach dem Mittagessen waren nicht bloß die Verladearbeiten beendet, sondern ebenfalls die Besatzungsmitglieder vollzählig an Bord des Motorschiffes „Fritz Stoltz“, was hieß, dass die Funkassistentin endlich ihren Ausbilder kennenlernte.
    Vom ersten Augenblick an machte der Funkoffizier einen unnahbaren Eindruck auf Sus anne. Hans Nienberg war körperlich weder von überragender, noch kräftiger Statur, nichtsdestotrotz stolzierte er in seinem Reich, dem Funkschapp neben der Brücke, auf und ab wie Graf Koks. Einem Schulmeister gleich hatte er die Hände auf dem gebeugten Rücken verschränkt und würdigte seine Assistentin keines Blickes. Kindermädchen spielen für diese albernen, dummen Dinger von der Seefahrtsschule, welch eine Zumutung! Und er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen eine Frau in seiner unmittelbaren Nähe.
    Ungeachtet dessen sog diese ehrfürchtig jede Erklärung – wobei Belehrung zweifellos die treffendere Bezeichnung war – des Funkers auf. Irgendwann fing sie an, um göttlichen Beistand zu flehen, um in der Flut von Informationen und Details nicht zu ertrinken. Ihr Notizblock füllte sich schneller, als sie schauen konnte, mit einzelnen Stichworten, Zahlen und irgendwelchen Hieroglyphen, die verdammte Ähnlichkeit mit Fußabdrücken wild gewordener Hühner hatten. Bald schon musste sie erkennen, dass es ein aussichtsloses Unterfangen war, später auch bloß einen klitzekleinen Bruchteil davon zu rekonstruieren oder gar sinnvoll zu verarbeiten.
    Das s er das nicht merkte! Wollte Nienberg sie testen oder provozieren oder setzte er seine detaillierten Ausführungen ganz selbstverständlich als Grundwissen voraus? Das konnte wohl nicht sein Ernst sein!
    Mit dröhnendem Schädel schloss sie drei Stunden später die Tür zum Funkschapp hinter sich und schlich gesenkten Hauptes die Niedergänge hinab. Niemals würde sie das schaffen! Sie hatte überhaupt nichts kapiert! War sie vier lange Jahre, tagein, tagaus, vorbildlich und stets hoch motiviert in die Hörsäle und Versuchslabore gepilgert, um dann doch nichts Brauchbares gelernt zu haben? Absolut nichts?! Dermaßen blamiert worden war sie nie zuvor in ihrem Leben.
    A us einem unerfindlichen Grund schien dieser Mann sie zu hassen. Wie er sie mit zusammengekniffenen Augen von oben herab gemustert hatte! Wie sich sein schmaler Mund geringschätzig verzog, wenn sie ihm zögerlich eine Frage stellte, von der sie nicht einmal den Eindruck hatte, dass sie sonderlich primitiv gewesen wäre. Sie hatte diese für Fachfragen gehalten! Jedes Mal war sie bei Nienbergs gnädigen Antworten um einige Zentimeter geschrumpft. Es sollte sie nicht wundern, würde sie jetzt einer der Männer auf dem Weg aus Versehen über den Haufen rennen, weil sie es auf Mäuschengröße gebracht hatte.
    In dieser Sekunde begriff sie, wie sich ihre beste Freundin Beate gefühlt haben musste, nachdem sie von ihrem Mentor angesichts ihrer missratenen Diplomarbeit nach Strich und Faden abgekanzelt worden war. Sie sei nicht würdig, an dieser angesehenen Akademie studieren zu dürfen, eine Schande für das gesamte

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