Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
gelernt seinen Geist zu schulen. Er beherrschte mehrere Techniken um sich Details, Namen, Uhrzeiten ohne Fehler einzuprägen. Fehler konnte er sich nicht erlauben. Fehler sollten seine Ziele machen, oder deren Beschützer. Mangelnde Kompetenz musste die Polizei mit Masse ausgleichen. Fehlende Koordination mit Maschendrahtzäunen kompensieren. Nun, es sollte ja keine Zäune geben. Noch nicht. Mit der Wahrheit würden die Verantwortlichen erst kurz vor knapp rausrücken, da kannte er sich aus. Erst wenn die Demonstranten ein paar Steine warfen, vielleicht auch provoziert durch V- Leute, dann schrie die Bevölkerung regelrecht nach solchen. Doch zuerst musste die Bedrohung spürbar sein. Er plante die Zäune in seine Kalkulationen mit ein. Er kannte die Einteilung der Sicherheitszonen, da hatte er seine Quellen. Es gab zwar die offiziellen Versionen, die in der hiesigen Sonntagszeitung, dem Guller, dem Stadtanzeiger und der Kehler Zeitung veröffentlicht wurden, aber Profis wie er, bedienten sich an den echten Quellen. Mit Geld war da immer was zu machen. Er hatte ein engmaschiges Netz an Verbindungsleuten aufgebaut, ohne dass er sich jemals wirklich zu erkennen geben musste. Manche Kollegen waren da nicht so vorsichtig, Anfänger eben. So konnte er es fast nicht glauben, dass seine Konkurrenten tatsächlich die Dreistigkeit besessen hatten, in Kehl einen Pritschenwagen mit Firmenaufschrift zu stehlen. Es war offensichtlich, dass er in einem Einsatz eine Rolle spielen würde. Er würde nie so unvorsichtig vorgehen. Wenn alle so arbeiten würden wie die, würde die Welt nie von ihren Potentaten befreit werden. Doch trotz aller vorausschauenden Planung, er suchte immer noch nach dem perfekten Ort. Er sollte nahe genug an der Brücke liegen und doch außerhalb der Sicherheitszone. Es sollte ein hohes Gebäude sein und auch außerhalb der Demonstrationsrouten verlaufen. Bei Demonstrationen wusste man nie, die galten auch in seinen Kreisen als unkalkulierbares Risiko. Andererseits konnte man dabei fast unbehelligt seinem Werk nachgehen. Es war nicht schwierig, bezahlte Aufmischer so in den Demonstrationsreihen zu integrieren, dass sein Treiben nicht mehr auffiel. Dennoch, er wollte in Ruhe arbeiten, er liebte die Präzision. Das Improvisieren überließ er gerne seinen Mitstreitern, auf welcher Seite sie auch immer stehen mochten. Die Großherzog – Friedrichstraße führte direkt auf die Brücke zu, sie gehörte zur Sicherheitszone. Der Rheindamm war zugunsten der Brücke unterbrochen worden. Seine Augen suchten die anliegenden Häuser ab. Sie kamen nicht in Frage. Das Polizeiaufgebot würde immens sein. Schon jetzt statteten Polizisten Hausbesuche ab. Die Polizisten kannten bald alle 700 Bewohner persönlich. Alles Ein- oder Zweifamilienhäuser. Teilweise sogar Villen. Auf der sogenannten „Insel“ ließ es sich gut leben. Früher lebte die bessere Gesellschaft dort, inzwischen war die Einwohnerschaft gemischter. Viele schmucke Häuser zierten diesen Flecken. „Es gibt viele Bäume da, das ist gut“, bemerkte er. Über den Grundstücken schwebte fast eine gespenstische, modernde Friedhofsatmosphäre. Die Grundstücke lagen fast alle tiefer als die Straße, in manche Gärten musste man direkt hinuntersteigen. Er schüttelte sich, die Feuchtigkeit kroch ihm bei diesem Anblick in die Glieder. Die wichtigste Sicherheitszone endete direkt am Altrhein. Von der Brücke aus lief er 500 Meter geradeaus. Die Straße machte einen leichten Bogen, sie überquerte eine vielbefahrene Durchgangsstraße und endete vor dem Altrhein. Er blickte in ein schlammgrünes Gewässer, das vor lauter Algen keine Luft zu bekommen schien. Es war erst März, wie würde diese Brühe erst in der Sommerhitze aussehen! Hohe Bäume flankierten beide Uferseiten. Ein baufällig anmutendes Holzbrückchen führte zur anderen Uferseite. Er sah den Kirchturm von St. Nepomuk. „Interessant“, notierte er sich. Aber ein anderes Gebäude zog seine Aufmerksamkeit an. Hier auf der anderen Uferseite war er außerhalb der Sicherheitszone, das war schon einmal gut. Auf der linken Seite befand sich ein ziemlich großes und altes Gebäude. Es musste bestimmt an die hundert Jahre alt sein. An den Fenstern prangten bunte Bilder. Hände waren mit Fingerfarben auf die Glasscheiben gedruckt. „Friedrichschule“ las er. Er schauderte. „Das man heutzutage die Jugend immer noch in so alte Gemäuer steckt, da kann ja nicht viel zu erwarten sein.“ Das Gebäude lag nicht
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