Frau Hoffmanns Erzählungen
man den Potsdamer Platz nicht mehr.«
»Irrtum! Sie bauen kein Haus, sondern ein Denkmal.«
»Einen Reiter aus Stein?«
»Stein ist richtig, aber keinen Reiter.«
Damit ist ihr Interesse an Berlins spannendstem Bauprojekt erloschen. Sie fordert die Maus zu einem Tango auf. Nach einigen schwungvollen Figuren hält sie inne:
»Warum ist die Münchner Langeweile noch langweiliger als die Berliner? Warst du in München?«
»Ja, heute morgen.«
»Ist München ein Vorort von Berlin?«
»Noch nicht, kann aber noch werden.«
»Und warum langweilig?«
»Weil sie dort nicht so viele Theater haben wie in Berlin.«
»Sind Theater nicht langweilig?«
»Manchmal schon. Aber da sie immer vor der Pleite stehen, bleibt es spannend.«
»Was machen die Berliner in den Theatern?«
»Sie gucken zu, wie Schauspieler sich entkleiden.«
»Warum entkleiden sie sich? Sind Theater Badeanstalten?«
»Nun, manche Senatoren würden sie gern in Badeanstalten verwandeln.«
»Können Schauspieler nicht zu Hause baden?«
»Es geht nicht um Schauspieler, sondern um die Eintrittspreise.«
Frau Hoffmann hat keine Beziehung zum Geld; nicht einmal meine Finanzkrise interessiert sie. Sie probiert ein paar Takte Jitterbug, wobei sie die Maus über ihre Schulter wirft.
»Und warum wollen die Berliner im Theater zusehen, wie sich Menschen ausziehen? Genügt ihnen die Love Parade nicht?«
»Kann man nicht vergleichen. Die Parade ist Unterhaltung, das Theater bietet Kunst.«
»Wo ist der Unterschied?«
Frag doch den Peymann, möchte ich ihr raten, der kennt sich aus. Aber dann muà ich ihr erklären, wer Peymann ist und wieso der sich auskennt. Und schon sind wir wieder bei Botho Strauà und Handke, und dann wird es wirklich langweilig.
Statt einer Antwort gehe ich zum Fenster und blicke nach unten auf die Baumaschinen. Die haben die Arbeit schon wieder eingestellt. Wahrscheinlich sitzen die Gelbhelme irgendwo vor einem Bildschirm und glotzen FuÃball. Das ist zur Zeit beliebter als die Love Parade. Vom Theater ganz zu schweigen.
»Warum«, fragt Frau Hoffmann, der ich meine Beobachtung mitteile, »spielen sie nicht FuÃball in den Theatern? Das brächte doch Leben in die Bude!« Und während sie mit der Maus einen langsamen Walzer tanzt, setzt sie hinzu: »Mit Harald Schmidt als Mittelstürmer wärâ das Schiller Theater ständig ausverkauft!«
Von Bären und anderen Futterneidern
Ihren FreÃnapf erreicht sie betont gelangweilt, schnuppert miÃtrauisch an den Brekkies und kehrt ebenso gelangweilt zu ihrer Schlafecke auf dem Sofa zurück, wo sie sich umständlich einrollt. Nach einer Weile, als ich unüberhörbar das Feuilleton der groÃen Wochenzeitung aufschlage, maunzt sie beiläufig:
»Warum hast du mir verschwiegen, daà es in der Stadt von Bären wimmelt?«
Bären? Mir fallen Ionescos »Nashörner« ein, die durch die StraÃen der Stadt galoppierten und jedermann in ein Nashorn verwandelten. Die sind ja nicht ausgestorben. Aber natürlich meint sie die Berliner Bären aus Kunststoff, denen man auf Schritt und Tritt begegnet.
»Die wimmeln nicht, die stehen herum. Es sind harmlose, bunt bemalte Plastikbären. Das haben die Berliner den Zürchern abgeguckt. Die hatten bunte Löwen im Stadtzentrum verstreut. Sollten für das Image der Stadt werben. Wie die Bären für Berlin.«
»Dann wären die Bären ein Plagiat, oder?«
»Ach Gott, was ist in Berlin kein Plagiat! Sanssouci: ein Plagiat von Versailles; Kaiser Wilhelm: ein nachgemachter Hermann der Cherusker; Schinkel â¦Â«
»Was ist dieser Hermann?«
»Ein Cherusker, ein früher PreuÃe. Mochte keine Fremden.«
»Warum nicht?«
»Wahrscheinlich weil sie kein Bier tranken. Er war Bierbrauer oder so was.«
»Und woher weià man, daà er keine Fremden mochte?«
»Das steht in den Geschichtsbüchern.«
»Er mochte wohl auch keine Bären, nicht wahr?«
Sie weià einfach alles. Gäbe es eine PISA -Studie für Katzen, Frau Hoffmann wäre die oberste Intelligenzbestie weltweit.
»Natürlich nicht. Dafür liebte er Löwen.«
Sie hat sich während des zoologischen Exkurses aufgesetzt. Tiere sind ihr Lieblingsthema. Kann aber auch sein, daà sich ihr Hunger meldet. Tatsächlich bringt sie das
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