Frau Hoffmanns Erzählungen
Onkel?«
»Ein stattlicher Kater, graugetigert, Maine Coon. Er hatte eine Anstellung beim Theater in Avignon.«
»Ich wuÃte nicht, daà sie in Avignon Katzen anstellen. Was spielte er denn? Jugendliche Helden? Shakespeares Narren? Oder gar den Hamlet?«
Sie scheint meine Ironie nicht zu bemerken.
»Er war als städtischer Mäusefänger fürs Theater zuständig.«
»So was gibt es in Berlin auch. Den Job hat hier ein Senator.«
»Mein Onkel ist später mit Jean Vilar nach Paris gegangen. Dort verliert sich seine Spur.«
»Na, wenigstens hat er eine hinterlassen. Das kann man von Senatoren nicht immer sagen. Sie hinterlassen Schulden.«
Frau Hoffmann steht auf und geht zum Zeitungskorb, legt ihre Pfoten auf den Korbrand und blickt nachdenklich auf das Titelblatt von der âºBuntenâ¹. »Schade«, sagt sie.
»Was ist schade?«
»Daà die weg ist vom Zirkus. Wäre sie geblieben, hätte man vielleicht auch mal was über Katzen lesen können.«
»Im Zirkus gibt es keine Katzen.Tiger ja, und Pferde und Elefanten. Aber deinesgleichen nicht.«
»Hast du eine Ahnung! Eine Tante von mir lebte im Pariser Zirkus Medrano im Pferdestall. Besaà eine unbegrenzte Arbeitsgenehmigung. Pferde mögen nämlich keine Mäuse, weil die ihnen den Hafer wegfressen.«
»War das die Madame von deinem Onkel in Avignon?«
»I wo. Sie hieà Nadja und kannte Mitterand persönlich.« Dann, nach einer Weile des Schweigens: »Warum habe ich Schröder noch nicht kennengelernt? SchlieÃlich bin ich schon zwei Monate in Berlin.«
»Nur Geduld«, beruhige ich sie. »Im Moment lädt er sich Dichter und Denker ins Haus. Da aber Wahlkampf ist, werden Katzen auch noch drankommen.«
»Hoffentlich nicht zusammen mit Hunden.«
»Und wenn schon. Die Dichter und Denker haben sich auch nicht gebissen.«
»Wieso, war Walser nicht dabei?«
Wie ich schon sagte: sie interessiert sich für alles und jeden. Und wenn sie dafür die âºBunteâ¹ lesen muÃ.
Warum FuÃball was für Hunde ist
Als ich das Zimmer betrete, ist sie nicht zu sehen. Schon merkwürdig. Nach einigen albernen Liegestützen entdecke ich sie unterm Sofa. Auch merkwürdig. Entweder ist es ihr zu hell (tatsächlich scheint die Sonne ungebremst), oder die Russin mit dem Staubsauger war da.
»Was ist los, akuter Weltschmerz?« frage ich leichthin.
Keine Reaktion.
»Na, das ist vielleicht eine BegrüÃung! Deinetwegen bin ich bis zum Scheunenviertel gelaufen, um eine Tierfutterhandlung zu finden, wo sie die teuren, biologisch-medizinischen Brekkies haben, die du so gerne iÃt. Mit dem Kulinarischen haben sie es hier in Berlin nicht so.« Frau Hoffmann erscheint steifbeinig, maunzt aber immer noch nichts. Statt dessen gähnt sie mit weit aufgerissener Schnauze. Manieren wie ein Hund. Dann endlich die verspätete BegrüÃung:
»Ich mache mir Sorgen!«
»Worüber?«
»Ãber die Art, wie die Banken mit dem Geld umgehen.«
Ein naheliegendes Thema. Das Haus, in dem wir wohnen, gehört einer Bank. Ein architektonisches Juwel, jedenfalls auf der Vorderseite, wo die Bank ihre Räume hat. Keine Bankschalter, sondern prächtige Hallen, in die Touristen latschen wie in Kathedralen.
»Eine Bank muà auch repräsentieren«, erkläre ich den Aufwand, »da können sie den Boden nicht mit Linoleum auslegen.« Dann fällt mir ein, daà sie die Halle noch nie gesehen hat.
»Wovon redest du überhaupt?«
»Davon, daà sie so viel Geld verleihen, was sie nie zurückkriegen, weil die Beliehenen Pleite machen.«
Als passionierte Fernsehglotzerin macht sie sich Gedanken über Leo Kirch und sein Imperium. »Tja, da werden einige FuÃballer wohl nicht mehr so viel Geld verdienen«, sage ich. Sie reckt sich so emphatisch, als wärâs eine Yogaübung wie Kopfstehen.
»FuÃball ist was für Hunde«, maunzt sie verächtlich, »die rennen hinter jedem Ball her. Mir machen die Banken Sorgen. Eines Tages haben die kein Geld mehr für die FuÃbodenheizung.«
Das also ist es! Die FuÃbodenheizung in der Wohnung hat sie als erstes mit Berlin versöhnt. Hier bedeutet die Annonce Katzenfreundliche Wohnung zu vermieten keine Dachterrasse mit Vogelnest, sondern FuÃbodenheizung.
Sollte sie noch nicht gemerkt haben, daà die längst
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