Frau Hoffmanns Erzählungen
Kulinarische ins Gespräch.
»Bist du sicher, daà die Brekkies nicht vergiftet sind?«
»Vergiftet? Wer sollte denn deine Brekkies vergiften?«
Sie putzt sich mit der Pfote das linke Ohr, bevor sie antwortet: »Vielleicht die Bären. Sie sind bösartig und verschlagen. Was ich gerne esse, mögen sie auch. Die wären froh, wenn es keine Katzen mehr gäbe.«
Das wären die Mäuse auch, denke ich, sage aber nichts. Statt dessen: »Ich sagte doch: die sind bunt und aus Plastik.«
»Genau! Wie bestimmte Politiker.«
»Denkst du an jemanden, der einen Namen hat?«
»Wer zählt die Häupter, nennt die Namen â¦Â«
Jetzt zitiert sie schon Schiller! Bevor sie überschnappt, gilt es, sie wieder auf die Erde zurückzubringen.
»Du solltest wissen, daà die Mäuse, die du zu Hause friÃt, unendlich viel giftiger sind als Berliner Brekkies.«
Da sie mich betroffen ansieht, setze ich hinzu: »Und die Eidechsen erst recht!«
Die Eidechsen wohnen in den alten Mauern an der Drôme. In diesen Wochen ohne Frau Hoffmann haben sie endlich eine Chance, sich zu vermehren.
»Hier gibt es keine Eidechsen«, stellt sie fest und scheint es zu bedauern. Dann marschiert sie entschlossen zu ihrem FreÃnapf. Ich denke an Ionescos Nashörner und stelle mir buntbemalte Plastikechsen auf dem Pariser Platz vor. Die wären ein Eigenplagiat der Stadt und auch kein Ruhmesblatt des Senats. Also bin ich froh, daà es keine Eidechsen gibt. Ich muà ja nicht alles gut finden, was Frau Hoffmann gefällt.
Kleine und groÃe Fische
Nachdem ich die Gäste an der Wohnungstür verabschiedet habe, gehe ich zurück ins Zimmer und sehe, wie Frau Hoffmann auf dem Tisch steht. Völlig ungerührt schnuppert sie an den leeren Gläsern und abgegessenen Tellern.
»He!« rüge ich ihr ungewohntes Betragen, »was soll das?«
Sie läÃt sich nicht stören und untersucht die Reste eines Pflaumenkompotts. Dann springt sie betont langsam, als stünde das in ihrem Abendprogramm, auf einen Stuhl und von dort auf den Boden, wo sie hingehört.
Manchmal benimmt sie sich wie in Trance. Wenn sie Frau Christiansen im Fernsehen sieht, verfällt sie in eine Art von Starre; bei Ulrich Wickert rollt sie sich auf dem kleinen Teppich, den ich ihr für diesen Zweck gekauft habe. Der Vorwurf in meiner Stimme verlangt ihr eine neue Reaktion ab. Also stellt sie sich auf die Hinterbeine und krallt ihre Pfoten in den Sesselüberwurf, den ich ebenfalls für diesen Zweck gekauft habe. (So eine Katze bringt einen noch ins Armenhaus!) Nach einer gebührenden Weile beendet sie ihre sportliche Demonstration und fragt:
»Worüber habt ihr euch denn so gestritten?« Sie hat natürlich zugehört.
»Ãber die Möglichkeit eines Regierungswechsels.«
»Das war mir klar. Aber was hat die Ãsthetik damit zu tun? Ihr habt doch ständig über Ãsthetik geredet!«
Auch wenn die Frage von einer Katze kommt, sollte man sie nicht ignorieren. Denn hat Ãsthetik etwas mit einem Regierungswechsel zu tun?
Nicht einmal bei Machiavelli gibt es einen entsprechenden Hinweis.
»Wir stritten uns über die Gesichter der Politiker. Da hatten wir eben verschiedene Urteile über deren ästhetische Erträglichkeit.«
»Was ist eine ästhetische Erträglichkeit?«
Wenn du mit einer Katze sprichst, vermeide unpräzise und verschlüsselte Formulierungen! Katzen sind schlauer als BILD -Leser; sie fragen nach. In dieser Sache besonders, da sie nach meinen Beobachtungen keine ästhetischen MaÃstäbe haben, wenn sie sich mit Katern einlassen. Da gibt es vernarbte Rumtreiber, schielende Sänger und räudige Haudegen, auf die sie hereinfallen, als wären sie blind. Hält man ihnen ihre unpassende Wahl vor, verstehen sie nur Bahnhof.
»Es ging um die Gesichter von Politikern. Manche wirken auf unsere Freunde wie ⦠wie Fischköpfe.«
»Welche Fische?« Frau Hoffmann mag Fische. Aber nur bestimmte Sorten.
»Alle Sorten«, sage ich politisch korrekt. »Glotzäugige Fische, blonde Fische, Fische mit Bart, mit Schmerbauch und grinsende Fische. Du hast ja gehört, wie verschieden die ästhetischen Einschätzungen sind.«
»Ich habe Namen verstanden. Zum Beispiel Westerwelle, Stoiber, Merkel und Struck. Die kenne ich vom Fernsehen. Das sind doch keine Fische!«
Was soll ich
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