Frau Schick macht blau
Gesicht.
»So ist es schon besser«, lobt Nelly von rechts und schiebt Stalin energisch von ihrem Schoß, um ihren Kopf mit einem Seufzer des Entzückens an Herbergers Schulter zu lehnen.
Ja, so ist es wirklich besser, findet auch Herberger, löst die rechte Hand vom Lenkrad und legt den Arm um Nelly, während Bloggers Van über den Feldweg auf den Waldeingang zuschaukelt.
Ein Fax von Frau Schicks Anwälten hat das Lügengebäude juristisch untermauert. Herr Engels – so die Anwälte – habe bestätigt, dass Herberger vor sieben Jahren zwecks Recherche zu einer Geschichte über Südamerikas Bienen mehrere Wochen in seiner Wohnung verbracht und seine Tochter intensiv kennengelernt habe. Auf Wunsch könne gern ein privater Gentest zur Verfügung gestellt werden, der dank geeigneter Hinterlassenschaften Herbergers – einer Bürste und einer Nassrasurklinge mit zwei Barthaaren – genaue Auskunft über sein Erbgut erlaube und einen Abgleich mit dem von Niklas.
»Solche inoffiziellen Gentests ohne Einwilligung des Betroffenen sind natürlich unzulässig«, hat die Sachbearbeiterin mit einem Unterton der Empörung festgestellt. »Und in Ihrem Fall wirklich gänzlich überflüssig.«
Herberger bringt Bloggers Van zum Stehen, kuppelt mit der linken Hand aus, zieht Nelly an sich heran und gibt ihr einen Kuss. So viel Zeit muss sein.
»Hör mal!«, mischt sich Niklas ein. »Ich hab was vergessen.«
»Später.« Herberger will nicht wissen, was. Nelly zu küssen und dabei Stalin von ihrem Schoß zu schubsen erfordert seine volle Konzentration.
»Es ist wegen dem Jaguar«, kommt es in dringlichem Ton von hinten.
Herberger hört nicht hin.
»Ich hab vergessen, Frau Schick den Brief zu geben.« Auf dem Rücksitz herrscht für eine Weile Ruhe, abgesehen von Sitzgurtklicken, Papierknistern und Hosentaschengeklimper. Ein Umschlag wird aufgerissen.
»Oh!«, staunt Niklas. »Da is’ ja noch was außer dem Schlüssel drin. Kann ich das haben?«
Herberger hat keine Zeit für eine Antwort, doch Nelly nimmt sie sich für eine Atempause und eine Frage. »Was denn?«, will sie mit verliebtem Blick in Herbergers Augen wissen.
»Der hier«, sagt Niklas und hält stolz den rechten Daumen in die Höhe. »Toll, oder? Guck doch mal!«
Nelly dreht kurz den Kopf und schenkt ihm einen klassischen Mutterblick, der mit staunender Begeisterung über vollständige geistige Abwesenheit hinwegtäuscht. »Oh, das ist aber ein hübscher Ring.«
Herberger schnellt im Sitz hoch. »Gib sofort den Ring her!«
Niklas zieht die Hand zurück. »Nee, der gehört Frau Schick.« Er stößt die Wagentür auf und entwischt pfeilschnell in den Wald.
Mit einem energischen »Jetzt reicht es!« entriegelt Herberger die Fahrertür. Mist, klemmt! Er hilft mit einem Tritt nach.
»Jetzt sei doch nicht so aufgebracht«, mahnt Nelly. »Der Kleine hat ein bisschen Trost verdient.«
»Aber nicht deinen Verlobungsring!«
»Meinen Verlobungsring … «
Herberger nickt und will sie an sich ziehen, um ihrem ungläubigen Staunen mit einem Kuss ein Ende zu setzen. Nelly hat recht: Der Ring ist völlig unwichtig, es kommt allein auf einen gefühlvollen Antrag an.
Den wehrt sie wie seinen Kuss ab. »Kauf gefälligst selbst einen Ring«, schimpft sie streng. »Ich will mich doch nicht mit Frau Schick verloben! Es reicht, dass sie unser Hochzeitsfest bezahlt und wir danach zu ihr ziehen werden, um …«
»Wir werden was?«, schreit Herberger entsetzt.
»Sie hat gesagt, du seist einverstanden«, sagt Nelly.
»Das bin ich mitnichten!«
»Es ist doch nur vorübergehend. Solange Niklas bei uns ist«, wirbt Nelly – seine Nelly! – für die aberwitzige Idee.
Das kann nicht wahr sein. Völlig fassungslos schüttelt Herberger den Kopf. »Nie und nimmer ziehe ich mit Frau Schick zusammen.«
»Sie stellt uns lediglich vorübergehend ihr altes Pförtnerhaus zur Verfügung. Dadurch kann ich die Arbeit an ihren Memoiren morgens möglichst früh in Angriff nehmen. Becky muss natürlich die Schule wechseln, aber der alten trauert sie ohnehin nicht hinterher. Und überleg doch mal, wie viel mehr Zeit wir für uns haben, wenn Frau Schick abends auf Niklas aufpasst!«
»Das kann doch ein Babysitter machen oder Becky«, wirft Herberger verzweifelt ein.
»Ach, Eckehart, das Risiko möchte ich lieber nicht eingehen. Was die beiden zusammen anstellen könnten, will ich mir lieber nicht ausmalen. Glaub mir, du wirst Frau Schick noch dankbar für das Angebot sein. Es heißt
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