Frau Schick räumt auf
»Pauls wertvollster Opal wurde dort angeblich aus dem Magen eines Wüstendingos geborgen, umklammert von einer halbverdauten Menschenhand mit mehreren Einschusslöchern, wissen Sie.«
»Frau Schick! Das haben Sie erfunden.«
»Nicht ich, sondern Paulchens Juwelendealer, wobei der sich immerhin von echten Zeitungsmeldungen hat inspirieren lassen«, gibt Frau Schick zu. »Nun, Sammler sind Süchtige, und Paulchen hat immer mit Begeisterung Wildwestromane gelesen. Außerdem hat er sich gern Zoll, Steuern, astronomische Händleraufschläge und Fragen nach seinen genauen Vermögensverhältnissen erspart.«
Nelly entzieht Frau Schick die Hand und runzelt die Stirn. »Eckehart ist kein dubioser Juwelenschmuggler.«
»Aber er war es.«
Nelly schüttelt erbost den Kopf. »Niemals! Eckehart war jahrelang ein gefragter Kenner und Geologe, weil er eine Art siebten Sinn für übersehene und vergessene Fundorte hatte. In Afrika hat er im Auftrag eines Großhändlers während einer wissenschaftlichen Exkursion verlassene Diamantenminen aufgespürt …«
»In denen er offiziell überhaupt nichts zu suchen hatte«, vollendet Frau Schick frohlockend. »Tja, das passt zu unserem Herrn Doktor. Gut, dass man ihn bei den heimlichen Extratouren nie erwischt hat. Die Südafrikaner fackeln mit illegalen Diamantenjägern nicht lange. In Australien herrschen dagegen noch Pioniergeist und entspanntere Gesetze.«
»Diese Gesetze haben Eckeharts Freund und beinahe auch ihn selber das Leben gekostet«, zürnt Nelly. »Dieser Lutz konnte an einer Tankstelle Sprengstoff kaufen, um einen aufgegebenen Felsschacht aufzusprengen, den Eckehart vielversprechend fand. Sprengstoff von der Tankstelle!« Nelly schüttelt sich. »In Coober Pedy hortet jeder Supermarkt und Drugstore Dynamit unterm Tresen.«
Frau Schick seufzt. »Sehr bedauerlich. Sprengstoff. Also wirklich, der passt so gar nicht zu Herbergers musikalischem Gehör.«
»Er hat ihn ja auch nicht gekauft«, trotzt Nelly. »Im Gegenteil. Er wirft sich noch immer vor, dass er Lutz von der unkontrollierten Sprengung nicht abhalten konnte.« Das glaubt sie zumindest. Das will sie glauben.
»Und warum sieht sein Kinn wie eine Kraterlandschaft aus?«
Nelly schluckt. »Er wollte Lutz’ Alleingang verhindern, aber er kam zu spät, weil er sturzbetrunken war.«
»Das sind da unten glaube ich alle. Die Silvesterfeiern, sagt man, dauern in Coober Pedy immer bis zum 7. Januar, weil vorher keiner merkt, dass es vorbei ist.«
»Dieser Lutz hat Eckehart an dem tragischen Abend bis zum Rand abgefüllt und im Streit niedergeschlagen, um die Opal-Ader allein zu plündern. Eckehart ist ihm hinterher, aber Lutz hatte die Ladung bereits angebracht und gezündet und dann …« Nelly bricht ab, weil auch Eckehart an dieser Stelle immer wieder abbricht.
»Und dann …«, wiederholt Frau Schick.
Nelly berichtet hastig. Was dann kam, waren ein dreimonatiger Klinikaufenthalt für Herberger, ein Jahr Untersuchungshaft in Melbourne wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung und am Ende der Freispruch für einen gescheiterten Retter, der mehr als ein paar hässliche Gesichtsnarben davontrug.
Frau Schick nickt. »Auch das ist Coober Pedy. Zerstört die Leber und die schönsten Männerfreundschaften.«
Nelly schüttelt hitzig den Kopf. »Das war keine Freundschaft, das war ein mörderisches Duell.« So viel weiß sie seit dem Abend auf dem Cebreiro-Pass. Eckeharts Professor Enrique hat mehr als deutlich gemacht, was von einem Freund wie Lutz zu halten ist, und Herberger hat an diesem Abend gehofft, dass sie ihn verstehen würde. »Es ging zwischen den beiden in Wahrheit um Penelope. Oder nicht einmal das. Lutz hat um sie gerangelt wie um eine Trophäe, weil Eckehart ihm in allem etwas voraushatte.«
»Das soll unter jungen Männern vorkommen«, sagt Frau Schick ungerührt. »Herrgott, Penelope ist aber auch ein zu alberner Name! Das muss ja zu einem Drama führen. Was manche Eltern sich nur denken.«
»Sie ist eine sehr schöne Frau, und der Name passt zu ihr«, sagt Nelly leise.
»Tut er nicht. Die wahre Penelope hat über zwanzig Jahre lang auf die Rückkehr ihres Helden Odysseus gewartet«, widerspricht Frau Schick. »Dieses spanische Flittchen nicht. Ist schwanger von Herberger und heiratet dann seinen nichtsnutzigen Freund. Tusnelda oder Transuse fände ich als Namen in diesem Fall recht passend.«
»Real existierende Frauen legen selten Wert auf Männer, die wie Odysseus in der Weltgeschichte
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