Frauen, die Geschichte machten
die sie
zu gemeinsamem Handeln in ökonomischen Fragen und auf sicherheitspolitischem Gebiet ermuntern wollte. Indira Gandhi profilierte
sich dabei als Sprecherin der Blockfreien, deren 7. Gipfeltreffen im März 1983 unter ihrer Leitung stand. Auch im Rahmen des
britischen Commonwealth gewann sie als politische Führerin des bevölkerungsreichsten Landes eine Schlüsselrolle; im November
waren die Staatschefs dieser Länder bei ihr zu Gast.
Außenpolitisch glänzte sie mit ihren Taten, im Inneren aber brodelte es gefährlich wegen der oft anmaßenden Politik der Regierung
in Delhi, von der sich die Regionen in unerträglicher Weise gegängelt fühlten. Indira Gandhis harte Reaktionen auf tatsächliche
oder angebliche Abweichungen von ihrer Linie rührten von einer gewissen Unsicherheit her, ob Indien auf Dauer überhaupt regierbar
bleiben würde. Wie auch immer, diese Härte ließ die Zahl ihrer Feinde ständig wachsen, was ihrerseits wiederum zu weiterer
Verhärtung führte, eine gefährliche Spirale.
Erstes Opfer wurde der Bundesstaat Assam im Nordosten des Subkontinents. Dort riefen Unruhen 1981 die Zentralregierung auf
den Plan, die schließlich das Parlament auflöste und die direkte Aufsicht über das Land übernahm. Die starke muslimische Minderheit
im Brahmaputratal sah in diesem Vorgehen eine hinduistische Machtergreifung, stammte Frau Gandhi doch aus einer Brahmanenfamilie.
Es kam zwischen den Bevölkerungsgruppen zu blutigen |248| Konflikten, die wie ein Fanal auf andere Regionen wirkte: Im Mai 1983 flammte in Kaschmir, steter Unruheherd zwischen Indien
und Pakistan, der Religionskampf auf anlässlich von Regionalwahlen, und im Pandschab nahmen sich Hindus und Sikhs ein Beispiel
daran.
Entschlossen ließ Indira Gandhi durchgreifen, verfügte eine quälende, monatelange Belagerung des Zentrums der Sikhs und am
5. Juni 1984, wie eingangs erwähnt, die Erstürmung des Goldenen Tempels. Dabei kam der Sikh-Führer Singh Bhindranwale ums
Leben, was den Rachedurst der Gedemütigten ins Unermessliche steigen ließ. Und der Widerstand wuchs auch anderswo: Als Indira
Gandhi im August 1984 den Regierungschef von Mandhra Pradesh absetzte, sah sie sich schon im Monat darauf gezwungen, ihn in
sein Amt zurückzuholen. Reformen des föderalen Aufbaus, das erkannte Indira endlich, waren unvermeidlich. Verwirklichen konnte
sie davon keine mehr, denn die Gewalt, die sie gesät hatte, ereilte sie selbst am 31. Oktober 1984 durch das Attentat der
beiden Sikh-Leibwächter.
Obwohl noch am gleichen Tag ihr Sohn als Regierungschef vereidigt wurde, schwappte eine Welle von Mord und Totschlag durch
das aufgewühlte Land. Die von Indira Gandhi zementierte »dynastische Demokratie« wurde mehr und mehr zum eigentlichen Problem.
Ihr Biograph Malhotra fragt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie ihr Land etwas mehr und ihre Söhne etwas weniger geliebt
hätte. Sein Buch erschien 1989. Zwei Jahre später gab die Geschichte die Antwort: Rajiv Gandhi fiel am 21. Mai 1991 einem
Bombenattentat zum Opfer. Zentralistisch lassen sich die zentrifugalen Kräfte des Milliarden-Volkes offenbar kaum bändigen,
und die spirituellen Mächte mögen zwar nicht von dieser Welt sein, sie zu ignorieren aber kann sich keine indische Regierung
leisten.
Indira scheint das am Lebensende gespürt zu haben, auch angesichts der eigenen Ausgebranntheit aufgrund der endlosen Kämpfe
gegen Vorurteile und Partikularinteressen. Jedenfalls sah man die alternde Tochter des Freigeistes Nehru zuletzt immer häufiger
an hinduistischen Kultorten und in Gesellschaft von weisen Gurus, auf die sie mehr und mehr zu hören schien. Hoffnungen aber
darauf, sie könne sich künftig stärker um religiösen Ausgleich kümmern und einen milderen Kurs einschlagen, starben mit ihr
im Kugelhagel.
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|249| Literatur
Allgemein
Anderson, Bonnie S. und Judith P. Zinsser: Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa. 2 Bde. Zürich 1992/93.
Baumgärtel, Bettina und Silvia Neysters (Hrsg.): Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen. München
1995.
Bridenthal, Renate, C. Koonz und S. Stuart (Hrsg.): Becoming Visible. Women in European History. 2. Aufl. Boston 1987.
Duby, Georges und Michelle Perrot: Geschichte der Frauen. 5 Bde. Frankfurt am Main/New York 1993–1995.
Fussenegger, Gertrud: Herrscherinnen. Frauen, die Geschichte machten. Stuttgart 1992.
Hoffmann, Gabriele: Frauen machen
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