Frederica - sTdH 6
der ganzen Familie im Pfarrhaus am
Abendbrottisch saß. Sie hatten damals gehofft, daß er Annabelle heiraten würde.
Er hatte aber scherzhaft erzählt, als er nach seiner Arbeit gefragt wurde, daß
er mit schwarzem Elfenbein handle. Der Pfarrer hatte die Familie grimmig
darüber aufgeklärt, daß mit ›schwarzem Elfenbein‹ Sklaven gemeint seien
und Mr. Wentwater ein Sklavenhändler sei.
»Sie!« rief
Frederica aus.
Und dann
wurde sie durch einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf zu Boden gestreckt.
»Sehr gut,
Giles«, sagte Guy Wentwater, als Lady James aus ihrem Salon stürzte und beim
Anblick von Fredericas leblosem Körper auf dem gefliesten Boden laut aufschrie.
»Sie haben
sie doch wohl nicht getötet!« rief Lady James. »Ich habe gesagt, daß es ohne
Blutvergießen abgehen muß.«
»Machen Sie
sich keine Sorgen«, sagte Guy Wentwater. Er wandte sich an den Lakaien.
»Fesseln Sie sie und ihr Mädchen! Nach Einbruch der Dunkelheit tragen wir sie
zur Kutsche. «
Lady James
schauderte. »Wohin bringen Sie die beiden?«
»Zum Haus
der Humes an der Straße nach Richmond. Ich habe es für ein Jahr auf Ihren Namen
gemietet. Denken Sie daran, Mylady, Sie müssen auch die Wächter ein Jahr lang
anständig bezahlen, wenn Sie die Frauen am Leben erhalten wollen ... wenn Sie
sie am Leben erhalten wollen.«
»Natürlich«,
sagte Lady James unruhig. »Ich frage mich nur, ob wir sie so lange festhalten
sollen. Was wird aus mir, wenn sie freikommen?«
»Nach Ihrer
Berechnung«, sagte Guy Wentwater gedehnt, »sind Sie dann schon Herzogin von
Pembury. Sie haben ein ganzes Jahr Zeit, um Pembury in die Falle zu locken, und
ein ganzes Jahr, um sich eine Erklärung zurechtzulegen. Ich kann die beiden
nach Amerika schicken, wenn Sie wollen.«
»Vielleicht
wäre das am besten.« Lady James verschränkte die Arme fröstelnd vor der Brust.
Sie fragte sich, ob sie sich je wieder warm und geborgen fühlen würde. »Wie
geht der Plan weiter?«
»Wenn Sie
mir die ganze Sache richtig geschildert haben, dann hat die kleine Frederica
die Angewohnheit wegzulaufen. Schreiben Sie einen Brief, der angeblich von ihr
stammt, und schicken Sie ihn an Pembury. Schreiben Sie, sie läuft weg, weil sie
die Vorstellung einer Heirat mit ihm nicht ertragen kann. Sein Stolz wird ihn
daran hindern, sie ausfindig zu machen.«
»Sein Stolz
könnte ihn daran hindern, ihre Flucht einfach hinzunehmen«, sagte Lady James.
»Meiner Seel, es ist kalt.«
Die erste
Reaktion des Herzogs auf den Brief, der am folgenden Tag angeblich von
Frederica kam, war eine Art trauriger Einwilligung. Seit der Bekanntgabe der
Verlobung war Frederica still und zurückhaltend und schien Angst vor ihm zu
haben. Er war mit Bedacht förmlich und korrekt gewesen, und doch war sie umso
ängstlicher geworden, je besser er sich in seinen Augen ihr gegenüber benommen
hatte.
Er wollte
Lady Godolphin einen Besuch abstatten, um Miß Armitage voller Resignation seine
Grüße ausrichten zu lassen und ihr mitzuteilen, daß er mit der Beendigung der
Verlobung einverstanden sei.
Das Haus
war in einem unbeschreiblichen Aufruhr. Carina, Lady Desire, saß mit
rotgeweinten Augen da. Lady Godolphin rumpelte wie ein angeschossenes Raubtier
hin und her und jammerte, daß Frederica den Verstand verloren habe.
»Es tut mir
leid, daß ich sie soweit getrieben habe ...« begann der Herzog.
Aber Carina
unterbrach ihn mit einem Schrei: »Ich habe solche Angst. Schauen Sie sich nur
diesen Brief an. Es sind lauter Fehler darin. Und das ist auch nicht Fredericas
Handschrift.«
»Lassen Sie
mich ihn sehen«, sagte der Herzog.
Lady
Godolphin händigte ihm den Brief aus. »Liebe Lady Godolphin«, las er. »Ich will
Pembury nicht heiraten, deshalb laufe ich weg, dahin, wo Sie mich nicht finden
und zwingen können, ihn zu heiraten. Ich bin betrübt und unglücklich. Vergeben
Sie mir. F.«
Der Herzog
zog sein Monokel heraus und nahm den Brief genau in Augenschein, dann führte er
ihn an die Nase und roch daran. Das Papier roch schwach nach Veilchen. Auf
solchem Papier hatte ihm seine frühere Geliebte Lady James manch einen Brief
geschrieben. Es waren allerdings niemals Liebesbriefe gewesen, sondern immer
nur Aufforderungen, die Rechnungen ihres Schneiders zu bezahlen.
»Was bin
ich bloß für ein Idiot!« schrie er. »Dieser Lakai ... und ich habe ihm
geglaubt! Haben Sie keine Angst, meine Damen. Ich hoffe, daß ich Ihnen
Frederica ganz schnell zurückbringen kann.«
Er eilte
aus dem Haus,
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