FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
oder Vertraute wären.
Der Advokat war für Rosa ein Fremder. Und doch schien sie irgendetwas geheimnisvoll zu verbinden. Rosa konnte ihre Gefühle nicht in klare Gedanken fassen. Doch Benno und sie verstanden sich auf Anhieb. Es war nicht nur Sympathie, es war, als würden sie sich schon lange kennen.
Drüben an der Fundstelle der Wasserleiche pfiff der Büttel durch die Zähne. Benno und Rosa blickten auf.
»Ich glaube, ich weiß, wer das ist«, hörten sie den Stadtsoldaten sagen.
»Und wer, bitte schön, soll das sein?«, ließ sich Friese ungeduldig vernehmen. »Der Mann ist doch völlig verwest. Woher willst du wissen, wie er heißt? Ich kenne ihn jedenfalls nicht.«
»Doch, Sie kennen ihn, mein Herr«, erwiderte ihm der Büttel. Offensichtlich hatte er gerade einen seiner wenigen lichten Momente, oder der Anblick hatte ihn auf einen Schlag nüchtern und hellwach gemacht. »Schauen Sie sich nur das dicke Muttermal an der linken Schläfe an.«
Friese stutzte.
»Soll das etwa der Emmerich sein, Klaus Emmerich?«, flüsterte er tonlos. Er war jetzt noch bleicher geworden. »Aber ist der nicht nach Hamburg gereist, um dort Geschäfte zu machen?«
»Offensichtlich ist er nicht weit gekommen, mein Herr.« Der Büttel kratzte sich am Hinterkopf. »Vielleicht hat man ihn ausgeraubt und hier in der Elbe versenkt, damit niemand seine Leiche findet. Und weil er aus Hamburg nicht wieder zurückkommt, werden alle glauben, er sei mit seinem prall gefüllten Säckel über den großen Teich in die neue Welt gesegelt, um dort sein Glück zu machen, während sich hier seine Alte die Augen ausheult. So wird niemand nach den Raubmördern fahnden, und das Lumpenpack kann sich die Hände reiben. Fein ausgedacht, diese Geschichte. Alle Achtung!«
»Aber daraus wird nun nichts«, knurrte Stadtschreiber Friese, »Büttel, du sorgst dafür, dass Kaufmann Emmerich auf den Gottesacker kommt. Und Ihr, Advokat Greve, habt hiermit euren ersten richtigen Fall. Im Namen der Stadt Magdeburg beauftrage ich Sie, die Mörder zu finden. Die Büttel stehen Ihnen dabei zur Verfügung. Wenn Sie Erfolg haben, wird es Ihnen Witwe Emmerich sicherlich reich lohnen. Ich werde jetzt meinen Jungen nach Hause bringen und dann die Kaufmannsfrau aufsuchen, um ihr die schlechte Nachricht zu überbringen. Auch den Rat der Stadt werde ich informieren.«
Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen, während Conrad ihm hinterherhinkte. Friese wandte sich nur kurz zu seinem Sohn um und bedeutete ihm, er solle sich beeilen, sonst würde es etwas setzen. Dass der Junge bei jedem Schritt Schmerzen litt, schien ihm nicht in den Kopf zu gehen. Ein wohlhabender und angesehener Bürger der Stadt war ausgeraubt und umgebracht worden! Was war dagegen schon der verstauchte Fuß eines Achtjährigen?!
Benno und Rosa blickten den beiden kopfschüttelnd hinterher.
»Ein Ichmensch, wie er im Buche steht!«, meinte der junge Mann.
Sie nickte zustimmend. »Aber er trägt einen teuren Rock und feine Lederstiefel, und er sitzt im Stadtrat.«
»Ja, und er hat einen Ehrenplatz im Dom, betet in jedem Gottesdienst sein ›Vergib uns unsere Schuld‹, während er in Gedanken seine Taler zählt«, führte Benno Greve ihren Gedanken weiter. »Ich habe gerade beruflich mit ihm zu tun. Er liegt im Streit mit einem Tischler. Der Mann hat angeblich nicht ordentlich gearbeitet. Deshalb will der feine Herr Stadtschreiber ihm seinen Lohn vorenthalten. – Wir haben gerade darüber am Stadttor gesprochen, als der Sohn des Schmieds angerannt kam und uns zurief, mit Conrad stimme etwas nicht. Was passiert sei, wollte er nicht sagen. Er ist danach sofort um die nächste Hausecke verschwunden. Hatte wohl ordentlich Bammel, der Junge.«
»Kann ich verstehen«, sagte Rosa, »der Michi kennt Conrads Vater nur zu gut. Dem möchte man keine schlechte Nachricht überbringen, auch wenn man nichts damit zu tun hat. Da bekommt ein Junge schnell mal einen Nasenstüber oder eine Ohrfeige.«
Sie schwiegen beide ein wenig verlegen und schauten dem Büttel nach, der zum Stadttor trabte, um den Abtransport von Emmerichs Leiche zu veranlassen.
»Im Zuge der Ermittlungen werde ich dich noch einmal befragen müssen«, wandte sich Benno Greve wieder an Rosa. »Wie heißt du eigentlich, und wo wohnst du?«
»Sie sind wohl neu in der Stadt?«, fragte sie zurück.
»Ja, ich bin erst vor Kurzem hierhergezogen. Deshalb kenne ich mich noch nicht so gut aus. Immerhin hat Magdeburg fast zweitausend Häuser, und
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