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FreeBook Robert Musil Drei Frauen

Titel: FreeBook Robert Musil Drei Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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würde schon gern mit so einem Mädel etwas haben, aber es ist mir zu gefährlich; als Schutz gegen Sentimentalität müßtest du mir versprechen, Hausfreund zu werden.« Und Mordansky, der bereits Volontär in der Zuckerfabrik seines Onkels gewesen war, hatte darauf von der Rübenernte erzählt, wo Hunderte solcher Bauernmädchen auf den Fabriksfeldern arbeiten und sich den Gutsinspektoren und deren Gehilfen in allem so willig unterwerfen sollen wie Negersklaven. Und er hatte ganz bestimmt einmal ein solches Gespräch mit Mordansky abgebrochen, weil es ihn verletzte, aber das war doch nicht damals gewesen, denn das, was eben wie Erinnerung erscheinen wollte, war schon wieder das später gewachsene Dornengerank in seinem Kopf. In Wahrheit hatte er sie zum erstenmal am »Ring« gesehen, jener Hauptstraße mit den steinernen Lauben, wo die Offiziere und die Herren von der Regierung an den Ecken stehen, die Studenten und jungen Kaufleute auf und ab wandeln, die Mädel nach Geschäftsschluß oder die neugierigeren auch schon in der Mittagspause Arm in Arm zu zweien und dreien durchziehen, manchmal einer der Rechtsanwälte langsam und grüßend sich hindurchschieben läßt, ein Stadtverordneter oder auch ein angesehener Fabrikant, und sogar Damen nicht fehlen, die ihr Heimweg von den Einkäufen just vorbeiführt. Dort hatte ihn plötzlich ihr Blick in die Augen getroffen, ein lustiger Blick, nur ein Sekündchen lang und wie ein Ball, der aus Versehen einem Vorübergehenden ins Gesicht flog, im Nu von einem Wegschauen gefolgt und einem geheuchelt arglosen Ausdruck. Er hatte sich rasch umgedreht, denn er dachte, nun würde das Kichern folgen, aber Tonka ging mit geradem Kopf, fast erschrocken; sie ging mit zwei andern Mädchen, war größer als sie, und ihr Gesicht hatte, ohne schön zu sein, etwas Deutliches und Bestimmtes. Nichts darin hatte jenes Kleine, listig Weibliche, das nur durch die Anordnung wirkt; Mund, Nase, Augen standen deutlich für sich, vertrugen es auch, für sich betrachtet zu werden, ohne durch anderes zu entzücken als ihren Freimut und die über das Ganze gegossene Frische. Es war seltsam, daß ein so heiterer Blick saß wie ein Pfeil mit einem Widerhaken, und sie schien sich selbst daran wehgetan zu haben.
    Das war nun klar. Sie war also damals in dem Tuchgeschäft, und es war ein großes Geschäft, das viele Mädchen für seine Lager angestellt hatte. Sie mußte die Stoffballen beaufsichtigen und die richtigen finden, wenn ein Muster verlangt wurde, und ihre Hände waren stets etwas feucht, weil sie von den feinen Haaren der Tuche gereizt wurden. Das hatte nichts von Traum: offen war ihr Gesicht. Aber dann waren da die Söhne des Tuchherrn, und der eine trug einen Schnurrbart wie ein Eichhörnchen, der an den Enden aufgekräuselt war, und stets Lackschuhe; Tonka wußte zu erzählen, wie vornehm er sei, wieviel Schuhe er hatte und daß seine Hosen jeden Abend zwischen zwei Bretter mit schweren Steinen gelegt wurden, damit die Falten scharf blieben.
    Und jetzt, weil man klar durch den Nebel etwas Wirkliches sah, tauchte das Lächeln auf, das ungläubige, zuschauende Lächeln seiner eigenen Mutter, voll Mitleid und Geringschätzung für ihn. Dieses Lächeln war wirklich. Es sagte: Gott, jeder Mensch weiß, dieses Geschäft ...?! Aber obgleich Tonka noch Jungfrau gewesen war, als er sie kennen lernte, war dieses Lächeln, heimtückisch versteckt oder verkleidet, auch in vielen quälenden Träumen aufgetaucht. Vielleicht hatte es sich nie als ein einzelnes Lächeln ereignet;
    49 das war selbst jetzt nicht sicher. Und dann gibt es auch Brautnächte, wo man nicht ganz sicher sein kann, sozusagen physiologische Zweideutigkeiten, wo selbst die Natur nicht ganz klar Aufschluß gibt, und im gleichen Augenblick, wo das wieder vor der Erinnerung stand, wußte er: auch der Himmel war gegen Tonka.
     
     
II
    Es war leichtsinnig von ihm gewesen, Tonka als Pflegerin und Gesellschaft zu seiner Großmutter zu bringen. Er war noch sehr jung und hatte eine kleine List eingefädelt; die Schwägerin seiner Mutter kannte Tonkas Tante, die in »gute Häuser« weißnähen kam, und er hatte gestiftet, daß man sie frug, ob sie nicht ein junges Mädchen wüßte, und so. Das junge Mädchen sollte bei der Großmutter bleiben, deren Erlösung man in zwei bis drei Jahren erwartete, und außer dem Lohn dann im Vermächtnis bedacht werden.
    Aber inzwischen waren nun einige kleine Erlebnisse einander gefolgt. Zum Beispiel, er ging

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