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FreeBook Robert Musil Drei Frauen

Titel: FreeBook Robert Musil Drei Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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einmal mit ihr, etwas zu besorgen; auf der Straße spielten Kinder, und sie sahen beide plötzlich einem heulenden kleinen Mädchen in ein Gesicht, das sich wie ein Wurm nach allen Seiten krümmte und prall von der Sonne beschienen war. Ihm erschien da die unbarmherzige Deutlichkeit, mit der das im Licht stand, als ein ähnliches Beispiel des Lebens wie der Tod, aus dessen Umkreis sie kamen. Tonka aber »hatte« nur »Kinder gern«; sie beugte sich scherzend und tröstend zu der Kleinen, fand den Anblick vielleicht drollig, und das war das letzte, so sehr er sich auch bemühte, ihr zu zeigen, daß dieser Anblick dahinter noch etwas anderes war. Von wie vielen Seiten er auch kam, er stand zuletzt immer vor der gleichen Undurchsichtigkeit in ihrem Geiste; Tonka war nicht dumm, aber etwas schien sie zu hindern, klug zu sein, und zum erstenmal empfand er dieses weit ausgedehnte Mitleid mit ihr, das so schwer zu begründen war.
    Ein andermal fragte er sie: »Wie lange sind Sie nun eigentlich schon bei Großmama, Fräulein?« Und als sie geantwortet hatte, sagte er: »So? Eine lange Zeit, wenn man sie neben einer Greisin zubringen muß.«
    »Oh!« machte Tonka. »Ich bin gern da.«
    »Nun, mir können Sie ruhig das Gegenteil sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich ein junges Mädchen dabei wohlfühlen soll.«
    »Man tut seine Arbeit«, antwortete Tonka und wurde rot.
    »Tut seine Arbeit, schön, aber man will doch auch anderes vom Leben?«
    »Ja.«
    »Und haben Sie das denn?«
    »Nein.«
    »Ja – nein, ja – nein« – er wurde ungeduldig – »was soll das heißen? Schimpfen Sie wenigstens auf uns!« Aber er sah, daß sie mit Antworten kämpfte, die sie immer wieder im letzten Augenblick von den Lippen verwarf, und sie tat ihm plötzlich leid. »Sie werden mich wohl kaum verstehen, Fräulein, ich denke nicht schlecht von meiner Großmutter, das ist es nicht; sie ist auch eine arme Frau, aber ich denke jetzt nicht von dieser Seite: das ist meine Art. Ich denke von Ihrer Seite, und da ist sie ein Klumpen Scheußlichkeit. Verstehen Sie mich jetzt?«
    »Ja,« sagte das Fräulein leise und wurde über und über rot. »Ich habe Sie auch schon früher verstanden. Aber ich kann's nicht sagen.«
    Da lachte er nun. »Das ist etwas, das mir noch nie widerfahren ist: etwas nicht sagen können! Aber jetzt will ich erst recht wissen, was Sie antworten möchten, ich werde Ihnen helfen.« Er wandte sich so völlig zu ihr, daß sie noch mehr verlegen wurde. »Also fangen wir an: Macht Ihnen die ruhige, gleichmäßige Pflicht, das geregelte Taugaustagein vielleicht Vergnügen? Ist es das?«
    »Oh, nun, ich weiß nicht, wie Sie das meinen; ich habe meine Arbeit ganz gern.«
    »Ganz gern, schön. Aber Bedürfnis: nicht gerade? Es gibt ja Leute, die gar nichts anderes wollen als Tagwerk.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wünsche, Träume, Ehrgeiz meine ich; läßt Sie ein Tag wie heute unberührt?«
    Es war zwischen den Mauern der Stadt ein Tag voll Zittern und Frühlingshonig.
    Da lachte das Fräulein: »Nein. Aber das ist es doch nicht.«
    »Ist es nicht? Nun, dann haben Sie vielleicht eine Vorliebe für halbfinstere Zimmer, das leise Sprechen, der Geruch von Medizinflaschen und dergleichen? Es gibt auch solche Leute, Fräulein, aber ich sehe schon an Ihrem Gesicht, daß ich es wieder nicht getroffen habe.«
    Fräulein Tonka schüttelte den Kopf und zog die Mundwinkel etwas abwärts – in schüchternem Spott oder auch nur aus Verlegenheit. Aber nun ließ er ihr keine Ruhe. »Sehen Sie, wie ich irre, wie lächerlich ich mich vor Ihnen mache mit meinen verfehlten Überlegungen: gibt Ihnen das nicht Mut? Also! –?«
    Und nun kam es auch endlich heraus. Langsam. Stockend. Die Worte verbessernd, als ob man etwas sehr schwer zu Verstehendes begreiflich machen müßte:
    »Ich mußte mir doch etwas verdienen.«
    Ach, dieses Einfachste!
    Welch feiner Esel war er und welche steinere Ewigkeit lag in dieser so gewöhnlichen Antwort.
    Wieder ein andermal war er mit Tonka heimlich spazierengegangen; sie machten Ausflüge an dem freien Tag, den sie zweimal im Monat hatte; es war Sommer. Als der Abend kam, fühlte man die Luft gerade so warm wie das Gesicht und die Hände, und wenn man im Gehen die Augen schloß, glaubte man sich aufzulösen und ohne Grenzen zu schweben. Er beschrieb es Tonka, und da sie lachte, fragte er sie, ob sie es verstünde.
    Oh, ja.
    Aber da er mißtrauisch war, wollte er, daß sie es ihm mit eigenen Worten beschreibe; und

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