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FreeBook Robert Musil Drei Frauen

Titel: FreeBook Robert Musil Drei Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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mußt?«
    »Ja.«
    »Nun, warum dann...?«
    Tonka bekam bei solchen Gesprächen einen störrischen Zug. Sie widersprach nicht, aber sie war Überlegungen nicht zugänglich. »Bitte,« konnte er sagen, »das ist ein Widerspruch, bitte, du mußt mir jetzt erklären, warum...«; es half nicht. »Tonka, ich werde bös sein, wenn du so bist!«
    Dann erst, wenn er solche Peitsche schwang, setzte sich das kleine Eselsgespann der Bescheidenheit und des Trotzes langsam in Bewegung und zog etwas hervor wie zum Beispiel damals, daß sie eine ungelenke Schrift hatte und auch die Rechtschreibung fürchtete, was sie ihm bisher aus Eitelkeit verschwiegen hatte, so daß nun um den lieben Mund die Angst zuckte und sich erst zum Regenbogen eines Lächelns wölbte, als sie fühlte, daß ihr der häßliche Mangel nicht übelgenommen ward.
    Im Gegenteil, er liebte solche Fehler wie den Fingernagel, den sie sich bei der Arbeit verunstaltet hatte. Er ließ sie in die Abendschule gehn und freute sich über die lächerliche kaufmännische Schönschrift, die ihr dort anwuchs. Sogar die verbildeten Urteile über das und jenes, die sie von dort nach Hause trug, waren ihm lieb. Sie trug sie gleichsam im Mund nach Hause, ohne sie zu essen; es lag eine edle Natürlichkeit darin, wie hilflos sie in der Abwehr des Wertlosen war, aber ahnend es sich nicht zu eigen machte. Diese Sicherheit, mit der sie alles Rohe, Ungeistige und Unvornehme auch in Verkleidungen ablehnte, ohne sagen zu können warum, war staunenswert, aber ebensosehr fehlte ihr jedes Streben, aus ihrem Kreis in einen höheren zu gelangen; sie blieb wie die Natur rein und unbehauen. Es war gar nicht so einfach, die Einfache zu lieben. Und zuweilen überraschte sie ihn durch Kenntnisse von Gedanken, die ihr ganz fern liegen mußten; selbst von Chemie; wenn er, vom Beruf ausschwingend, mehr monologisierend als für sie etwas erzählte, wußte sie plötzlich dies oder das. Gleich beim erstenmal hatte er sie natürlich erstaunt gefragt. Der Bruder ihrer Mutter, der bei ihnen in dem kleinen Haus hinter dem Bordell gelebt hatte, war Student gewesen. »Und jetzt?« »Er starb gleich nach den Prüfungen.« »Und das hast du dir gemerkt?« »Ich bin noch klein gewesen,« erzählte Tonka, »aber wenn er gelernt hat, hab ich ihn immer ausfragen müssen. Ich hab kein Wort verstanden, aber er hat mir die Fragen auf einen Zettel geschrieben.« – Schluß. Und länger als zehn Jahre war das wie schöne Steine, deren Namen man nicht weiß, in einem Kästchen gelegen! So war es auch jetzt; während er arbeitete, stumm in der Nähe zu sein, war ihr ganzes Glück. Sie war Natur, die sich zum Geist ordnet; nicht Geist werden will, aber ihn liebt und unergründlich sich ihm anschloß wie eins der vielen dem Menschen zugelaufenen Wesen.
    Seine Beziehung zu ihr war damals in einer merkwürdigen Spannung gleich weit von Verliebtheit wie Leichtfertigkeit. Eigentlich waren sie schon in der Heimat auffallend lang ohne Verführung miteinander ausgekommen. Sie hatten sich abends gesehen, gingen miteinander spazieren, erzählten sich die wenigen Erlebnisse des Tages mit ihren kleinen Ärgerlichkeiten, und das war so nett, wie Salz und Brot zu essen. Später hatte er freilich ein Zimmer gemietet, aber nur weil es dazu gehört und auch, weil man im Winter nicht stundenlang in den Straßen sein kann. Dort küßten sie sich zum erstenmal. Etwas steif, es war mehr eine Bekräftigung als ein Genuß, und Tonka hatte vor Aufregung ganz rauhe, harte Lippen. Sie hatten damals auch schon davon gesprochen, »sich ganz anzugehören«. Das heißt – er hatte gesprochen und Tonka hatte schweigend zugehört. Lächerlich deutlich, wie begangene Dummheiten sich nicht auslöschen lassen, erinnerte er sich seiner sehr jugendlich lehrhaften Ausführungen darüber, daß es so werde kommen müssen, weil dann erst zwei Menschen sich wirklich einander öffnen, und derart zwischen Gefühl und Theorie schwankten sie. Tonka bat bloß einigemal, es noch um einige Tage hinauszuschieben. Bis er beleidigt frug, ob ihr das Opfer zu groß sei? Da setzten sie einen Tag fest!
    Und Tonka war gekommen. In ihrem moosgrünen Jäckchen, in dem blauen Hut mit den schwarzen Puffen, die Wangen von dem raschen Gehn in der Abendluft gerötet. Sie deckt den Tisch, sie richtet den Tee. Nur um ein weniges geschäftiger als sonst, und immer bloß die Gegenstände ansehend, mit denen sie es gerade zu tun hat. Und obgleich er während des ganzen Tages ungeduldig

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