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FreeBook Robert Musil Drei Frauen

Titel: FreeBook Robert Musil Drei Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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gewartet hat, sitzt er eingeklemmt in die eisige Steife der Jugend auf dem Sofa und sieht ihr zu. Er bemerkte, daß Tonka an das Unabwendbare nicht denken wollte, und es tat ihm leid, daß er dafür einen festen Termin gestellt hatte; wie ein Gerichtsvollzieher! Aber es fiel ihm jetzt erst ein, daß er sie hätte überraschen, es ihr hätte abschmeicheln müssen!
    Alle Freude war meilenfern; er scheute sich eher, das Frische anzutasten, das ihm jeden Abend, wenn sie sich sahen, wie ein kühler Wind entgegenwehte. Aber einmal mußte es sein, an diese Notwendigkeit klammerte er sich, und während er die unwillkürlichen Bewegungen Tonkas verfolgte, kam es ihm vor, als wäre sein Gedanke wie ein Seil um ihren Knöchel geschlungen, das bei jeder Wendung kürzer wurde.
    Nach dem Mahl, das sie fast ohne zu sprechen eingenommen hatten, setzten sie sich zueinander. Er machte einen Versuch zu scherzen, Tonka machte einen Versuch zu lachen. Aber sie verzog dabei den Mund, als ob sich ihre Lippen spannten, und wurde plötzlich wieder ernst.
    Unvermittelt sagte er: »Tonka, ist es dir recht? Soll es dabei bleiben?« Tonka senkte den Kopf, und ihm schien, daß etwas über ihre Augen flog, aber sie sagte nicht ja und sie sagte nicht, ich hab dich lieb, und er beugte sich zu ihr und sprach ihr in seiner Verlegenheit leise zu. »Weißt du, es ist am Anfang viel Ungewohntes, vielleicht sogar Nüchternes. Denk dir, wir dürfen doch nicht..., weißt du, es ist doch nicht bloß so... Mach dann die Augen zu. Also...?«
    Das Bett war schon aufgeschlagen, und Tonka ging darauf zu, setzte sich aber plötzlich wieder unentschlossen auf den Stuhl daneben.
    Er rief sie an: »... Tonka!...« Sie stand wieder auf und mit weggewandtem Gesicht begann sie ihre Kleider zu lösen.
    Ein undankbarer Gedanke blieb an diesen süßen Augenblick geheftet.
    Schenkte sich Tonka? Er hatte ihr keine Liebe versprochen; warum empörte sie sich nicht gegen einen Zustand, der höchste Hoffnungen ausschloß? Schweigend handelte sie, als würde sie von der Macht des »Herrn« unterjocht; vielleicht würde sie einem andern auch so folgen, der fest will? Aber da stand sie im Ungeschick ihrer ersten Nacktheit; die Haut schloß sich rührend wie ein zu enges Kleid um ihren Körper; sein Fleisch war menschlicher und klüger als das jugendlich überkluge Denken, und Tonka, als ob sie vor ihm flüchten wollte, der in diesem Augenblick auffuhr, schob sich mit einer merkwürdig ungeschickten und ungewohnten Bewegung ins Bett.
    Er erinnerte sich dann nur noch, daß er im Vorbeigehen empfand, das Vertrauteste sei auf dem Sessel geblieben, mit den Kleidern, die er so gut kannte; als er daran vorbeikam, stieg der liebe, frische Geruch daraus auf, den er immer als das erste empfunden hatte, wenn sie sich sahen; im Bett erwartete ihn das Unbekannte und Fremde. Er hielt noch einmal ein, und Tonka lag im Bett mit geschlossenen Augen und zur Mauer gewandtem Kopf, endlos lang, in fürchterlich einsamer Angst. Als sie ihn endlich neben sich fühlte, waren ihre Augen warm von Tränen. Es kam dann eine neue Welle der Angst, Entsetzen über ihre Undankbarkeit, ein sinnloses, Hilfe suchendes Wort, durch einen endlosen, einsamen Gang hervorstürzend, verwandelte sich in seinen Namen, und dann – war sie sein geworden; er begriff wohl kaum, wie zauberhaft, wie kindlich tapfer sie sich in ihn stahl, welche einfache List sie sich ausgedacht hatte, um auch alles zu besitzen, was sie an ihm bewunderte: man braucht bloß ganz ihm zu gehören und dann gehört man dazu.
    Er erinnerte sich später gar nicht mehr, wie das geschehen war.
     
     
VI
    Denn am Morgen eines einzigen Tages war alles in ein Dornengerank verwandelt worden.
    Es waren schon einige Jahre vergangen, seit sie gemeinsam lebten, als Tonka sich eines Tages schwanger fühlte, aber es war nicht ein beliebiger Tag, sondern der Himmel hatte dafür einen Tag ausgesucht, von dem zurückgerechnet die Empfängnis eigentlich in eine Zeit der Abwesenheit und Reisen fiel, und Tonka wollte ihren Zustand erst bemerkt haben, als sein Beginn schon nicht mehr so genau festzustellen war.
    In solcher Lage gibt es Gedanken, die jedem durch den Kopf fliegen; weit und breit war jedoch kein Mann, der ernsthaft hätte in Zusammenhang gebracht werden können.
    Einige Wochen später trat das Schicksal noch deutlicher auf: Tonka erkrankte. Es war eine Krankheit, die entweder vom Kind ins Blut der Mutter getragen wird oder ohne diesen Umweg vom Vater; es war

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